AKW Hinkley Point

Hinkley Point C - das teuerste Kraftwerk der Welt.

Das Atomprojekt Hinkley Point C in Großbritannien ist das teuerste Kraftwerk der Welt. Am Standort in Hinkley Point gibt es bereits vier Reaktoren, die Blöcke A1 und A2 wurden bereits im Jahr 2000 stillgelegt. Die beiden noch laufenden Blöcke B1 und B2 sind Hochrisikoreaktoren, da sie bereits älter als 30 Jahre sind. 2013 wurde die Erlaubnis zum Neubau zwei weiterer Reaktoren erteilt (Hinkley Point C). Das Atomprojekt soll großteils von britischen SteuerzahlerInnen finanziert werden.

Angaben zum Reaktor sowie Zwischenfälle und Störfälle des AKW Hinkley Point finden Sie hier: Atomkraft in Großbritannienexternal link, opens in a new tab

Hard Facts zu Hinkley Point C:

  • geplant wurden zwei Druckwasserreaktoren EPR mit je 1.600 Megawatt Leistung
  • die Kosten sollen sich auf € 20 Milliarden belaufen
  • die Finanzierung bzw. das Baukonsortium setzt sich wie folgt zusammen: 66,5 % EDF / 33,5 % China General Nuclear (CGN)
  • es wurde ein staatlich garantierter Abnahmepreis von 10,8 ct/kWh (£ 92,5/MWh) für 35 Jahre versprochen
  • zusätzlich gibt es eine Kreditgarantie von € 19,8 Milliarden (£ 17 Mrd.)
  • tatsächlich fallen insgesamt Kosten in Höhe von € 28,44 Milliarden (£ 24,4 Milliarden) an
  • das sind umgerechnet € 8.887 pro Kilowatt installierte Leistung

Was ist passiert?

Da der Bau aufgrund der hohen Investitionskosten wirtschaftlich nicht rentabel ist, hatte EDF als Bedingung staatliche Subventionen verlangt. Am 21. Oktober 2013 gab EDF Energy bekannt, sein Konsortium habe mit der britischen Regierung vertraglich vereinbart, für € 19 Milliarden (£ 16 Mrd.) zwei Druckwasserreaktoren mit einer gemeinsamen Nettoleistung von 3200 MW errichten zu lassen.

Folgende Maßnahmen zur staatlichen Förderung des Projekts mussten von der EU genehmigt werden:

  • garantierten Einspeisevergütung - Abnahmepreis von 10,8 ct/kWh (£ 92,5/MWh) für 35 Jahre
  • Kreditgarantie von € 19,8 Milliarden (£ 17 Mrd.)
  • Absicherung vor politisch motivierten Abschaltungen durch ein Secretary of State Agreement

Ende 2013 leitet die EU-Wettbewerbskommission eine Untersuchung dazu ein. Neben der generellen Prüfung, ob es sich bei der Förderung um eine unzulässige Subvention handelt, solle geprüft werden, ob die Förderungsbedingungen verhältnismäßig und alternativlos sind. Im April 2014 findet dazu eine EU-weite Konsultation statt, bei der alleine über die GLOBAL 2000-Website über 20.000 Stellungsnahmen von kritischen BürgerInnen eingehen. Mehrere Quellen aus der EU-Kommission berichten von massivem Druck und Erpressung der britischen Verhandler. So soll es beispielsweise die Drohung gegeben haben, die Industrie-Ausnahmen des deutschen EEG zu torpedieren, falls Deutschland gegen Hinkley Point C stimmt. Im Oktober 2014 teilt die EU-Kommission mit, dass die britischen Fördermaßnahmen für Hinkley Point C mit EU-Recht vereinbar seien. Bei der Entscheidung waren ungewöhnlich viele Gegenstimmen zu verzeichnen: von 28 Kommissaren waren 16 dafür und vier dagegen (Österreich, Dänemark, Luxemburg und Slowenien). Zusagt wurde eine Kompensation bei etwaiger politischer Entscheidung zum Atomausstieg. Dieses Vorgehen schafft erklärtermaßen einen Präzedenzfall, der im April 2015 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde.

Aus GLOBAL 2000 Analyse besonders kritisch:

  • Als "Ziel gemeinsamen Interesses" der EU nennt die Entscheidung den Atom Fördervertrag EURATOM – dieser ist jedoch nicht Teil des EU-Vertrages von Lissabon, nach dem der Fall wettbewerbsrechtlich geprüft wird.
  • Als Marktversagen wird angeführt, dass der Markt vor 2030 kein Geld für Atomkraftwerke liefern könnte. Nach mehr als 60 Jahren staatlicher Unterstützung ist dies vielmehr ein Technologieversagen.
  • Es wurde keine Ausschreibung durchgeführt, sondern das Bauprojekt freihändig an die EDF vergeben. Als Grund dafür werden in der an GLOBAL 2000 geleakten Original-Entscheidung die Kosten angegeben, die eine offene und transparente Ausschreibung verursachen würde.

Reaktorbauer in Nöten

Der Reaktorbauer Areva macht 2014 € 4,9 Milliarden Verlust und springt deshalb als Investor für Hinkley Point C ab (geplant war eine Beteiligung an zehn Prozent der Kosten). Im April 2015 findet die französische Atomaufsicht Karbon-Einschlüsse im Stahl des Deckels und Bodens des EPR-Reaktordruckbehälters des Schwester-Reaktors in Flamanville aufgrund von fehlerhaftem Schmieden im Areva-Werk. Dieser Fehler beeinträchtig gegebenenfalls die mechanische Festigkeit. Davon sind auch die Druckbehälter in Taishan 1 und 2 (China) betroffen. 2015 wird der ursprünglich für Hinkley Point vorgesehene Reaktor-Deckel für Tests zerstört, diese ergeben unzureichende Wiederstandsfähigkeit der verdächtigen Zonen. Dennoch empfiehlt die technische Kommission die Inbetriebnahme des Reaktors - und den Austausch des Deckels nach 10 Jahren, was aus Ingenieurssicht grob fahrlässig ist.

Klagewelle gegen EU-Entscheidung

Bereits Anfang 2015 droht der britische Europadirektor im Foreign Office Vijay Rangarajan Österreich wegen dem Vorhaben der Klage: "UK [werde] in Zukunft jede Gelegenheit wahrnehmen, Österreich in Bereichen zu klagen oder zu schade, die starke innenpolitische Auswirkungen haben." Im Juli reicht die Republik Österreich trotzdem eine Nichtigkeitsklage (Art. 263 AEUV) gegen das Projekt Hinkley Point Cexternal link, opens in a new tab ein. Luxemburg schließt sich als Streithelfer an. Die Marktteilnehmer oekostrom AG, Greenpeace Energy, Energieversorung Filstal sowie die Stadtwerke Aalen, Bietigheim-Bissingen, Bochum, Mainz, Mühlacker, Schwäbisch Hall, Tübingen und die Elektrizitätswerke Schönau klagen gegen die Beihilfen für das AKW Hinkley Point C beim Europäischen Gerichtshof. GLOBAL 2000 und das Ökobüro reichen außerdem eine Beschwerde bei der Aarhus Kommissionexternal link, opens in a new tab der Vereinten Nationen ein.

Im Oktober 2015 wird die Klage der Republik Österreich mit zehn Klagsgründen auf der Website des Europäischen Gerichtshofs veröffentlicht (T-356/15). Kurz darauf folgt ein Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Großbritannien. Es wird beschlossen, dass die CGN 33,3 % (£ 6 Mrd.) und die EDF 66,6 % (£ 12 Mrd.) investieren wird. Die Gesamt-Investitionssumme ist laut EDF £ 18 Mrd. / € 24,9 Mrd. und damit höher als die zwei Jahre zuvor genannte Summe von £ 16 Mrd. und niedriger als die von der EU-Kommission, weil die Finanzierung jetzt anders sei. China erhält zudem einen weiteren Bauplatz für einen eigenen Reaktor in Großbritannien am Standort Bradwell.

Im Juni 2017 wird ein vernichtender Bericht des britischen Rechnungshofs (National Audit Office) veröffentlicht, in dem von einer Kostensteigerung für die britischen KonsumentInnen von ursprünglich angenommenen £ 6 Mrd. auf derzeit geschätzte £ 30 Mrd. ausgegangen wird. Wenige Tage später veröffentlicht der Projektbetreiber EDF eine neue Kostenschätzung für das Projekt, die bereits die zweite Kostensteigerung – von ursprünglich angenommenen £ 16 Mrd. auf jetzt £ 20,3 Mrd. – enthält. Erfahrungsgemäß steigen die Kosten nach Baubeginn eines Atomprojekts weiter an – es ist davon auszugehen, dass das jetzt schon teuerste Kraftwerk der Welt zum Atom-Fass ohne Boden wird, wenn die britische Regierung nicht rechtzeitig die Reißleine zieht.

Auch wenn die britische Regierung den Bau der neuen Reaktoren durchbringen will, haben wir hier drei Gründe für Sie warum Hinkley Point C wahrscheinlich nie gebaut werden wird:

1. Wirtschaftlich: Baufirma EDF am Abgrund

Hinkley Point soll nach Berechnungen der EU-Kommission 24,4 Milliarden Pfund verschlingen (derzeit 28,72 Milliarden Euro) und wäre damit das teuerste Kraftwerk der Welt. Aufgrund des Pfund-Verfalls nach der Brexit-Entscheidung kann diese Summe noch höher werden. Nur durch massiven Druck der französischen Regierung, die nicht auf das Prestige-Projekt mit England verzichten wollte, kam am 28. Juli die Aufsichtsratsentscheidung des französischen Staatskonzerns Electricite de France (EDF) für das „go ahead“ zustande. Der Finanzchef war im Vorfeld wegen der Sorge ums wirtschaftliche Überleben des Konzerns ebenso zurückgetreten wie ein Aufsichtsrat, die Entscheidung war dennoch mit 10 zu 7 Stimmen äußerst knapp. Der Aktienwert von EDF ist seit 2007 um 87 % eingebrochen, der Konzern hat € 37 Milliarden Schulden – muss € 55 Milliarden in die französischen AKWs stecken – und soll nun € 19 Milliarden in das britische Atomkraftwerk investieren, Herkunft fraglich.

2. Rechtlich: Klagewelle gegen Subventionen

Gleich mehrere Klagen beschäftigen sich mit der Rechtmäßigkeit des Geldregens für den AKW-Bau, allen voran die Nichtigkeitsklage der Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshofs, die die fälschliche Annahme eines eigenen Marktes für Atomstrom, das Fehlen eines gemeinsamen Interesses am Ausbau von Atomkraft und die fälschliche Annahme von Atomkraft als „neue Technologie“ angreift. Im Falle eines Erfolges müssten alle Subventionen zurückgezahlt werden – der endgültige Todesstoß für das ohnehin schwer zu finanzierende Projekt. Österreich geht hier im Kampf gegen illegale Atom-Subventionen mit leuchtendem (nicht strahlendem) Beispiel voran. Auch Marktteilnehmer und GLOBAL 2000 als Vertreter der Zivilgesellschaft haben Rechtsmittel eingelegt.

3. Technisch: Reaktor kaputt

Der für Hinkley geplante Reaktortyp EPR (Europäischer Druckwasserreaktor) von Areva ist noch nirgends auf der Welt am Netz. Es gibt massive Verzögerungen um mehr als neun Jahre und Kostenexplosionen auf 300 Prozent. Noch schlimmer ist jedoch, dass die französische Nuklearaufsicht im Vorjahr im bereits installierten Reaktordruckbehälter im französischen Bauprojekt Flamanville Karbon-Einschlüsse wegen fehlerhaften Schmiedens im Areva-Werk gefunden hat, die die mechanische Festigkeit des Kernstücks des Reaktors beeinträchtigen kann. Auch die Druckbehälter der EPR-Projekte in China sind betroffen, eine aufwändige Prüfung läuft. Im schlimmsten Fall muss der nagelneue Reaktordruckbehälter ausgebaut und verschrottet werden – ein gigantischer finanzieller Verlust für den Reaktorbauer, der vom französischen Staat vor der Pleite aufgefangen und zerschlagen werden musste. Es ist unklar, ob die EPR-Technologie überhaupt je in Betrieb gehen kann.