02.02.2022

Aufgedeckt: Wie EU-Staaten die Transparenz beim Pestizideinsatz untergraben möchten

GLOBAL 2000 und PAN Europe fordern Einlenken im Trilog

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Morgen, am 3. Februar 2022 startet der Trilog über die Verordnung zu Statistiken des landwirtschaftlichen Inputs und Outputs (SAIO). Dabei geht es auch um die Statistiken der EU-Mitgliedstaaten zur Verwendung von Pestiziden in der Landwirtschaft. Diese Daten bilden die Grundlage, um das Green Deal-Ziel einer Pestizidreduktion um 50 % bis 2030 erreichen zu können.

„Während das Europaparlament die Schlüsselelemente des SAIO-Gesetzesentwurfs beibehielt und teilweise sogar verbesserte, nahmen die Mitgliedstaaten in den nicht-öffentlichen Sitzungen des Rats weitreichende Verwässerungen vor. Setzt sich der Rat mit seiner Position durch, wird eine Überwachung des EU-Pestizidreduktionsziels bis 2030 unmöglich“, analysieren die Umweltorganisationen Pesticide Action Network (PAN) Europe und GLOBAL 2000 in ihrem heute veröffentlichten Report „Mit verbundenen Augen zielen“.

Ziel der Pestizidizidreduktion in Gefahr
Die Verringerung des Einsatzes und des Risikos von Pestiziden um 50 % bis 2030 ist eine Schlüsselmaßnahme des europäischen Green Deal zur Eindämmung des Artensterbens und Förderung gesunder Ökosysteme. Jedoch fehlen zur Überwachung der Zielerreichung aussagekräftige Daten darüber, welche Pestizide wo, wann und in welchen Mengen zur Herstellung unserer Lebensmittel eingesetzt werden.

Deshalb soll der von der Europäische Kommission im Februar 2021 vorgelegte SAIO-Vorschlag gewährleisten, dass:

  • die Mitgliedstaaten an die Eurostat zukünftig jährlich Statistiken über den Pestizideinsatz vorlegen (anstatt wie bisher nur alle fünf Jahre),
  • sie diese aus bestehenden Betriebsaufzeichnungen zum Pestizideinsatz gewinnen (anstatt Erhebungen auf Basis freiwilliger und wenig repräsentativer Stichproben an ausgewählten Betrieben durchzuführen)
  • die Betriebe ihre Aufzeichnungen zukünftig elektronisch führen (was aber schon heute häufige Praxis ist) und übermitteln.

Zehn Mitgliedstaaten treiben Verwässerung voran
Im Rat erfuhr der Kommissionsvorschlag jedoch massive Verwässerungen, die auf eine Beibehaltung des Status Quo hinauslaufen. Dokumente aus den nicht-öffentlichen Sitzungen des Rats, die PAN Europe und GLOBAL 2000 unter Berufung auf ihr Recht auf Zugang zu EU-Dokumenten erhielten, zeigen, dass diese Verwässerungen maßgeblich von einer Gruppe von zehn Mitgliedsstaaten vorangetrieben wurden. Diese hatten ihre Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag im Vorfeld untereinander abgestimmt. Zu dieser Zehnergruppe zählen Dänemark, Deutschland, Irland, Niederlande, Österreich, Polen, Slowenien, Spanien, Tschechien und Ungarn.

Eine vergleichbar große Anzahl von Mitgliedsstaaten wiederum begrüßte den Kommissionsvorschlag und äußerte wenige bis keine Einwände; jedenfalls zu Beginn. Am Ende war es jedoch eine erstaunlich große Mehrheit, die den bis zur Wirkungslosigkeit verwässerten Gesetzesvorschlag als Verhandlungsmandat des Rates annahm.

„Es scheint als hätten die Mitgliedstaaten hinter verschlossenen Türen ein erbarmungsloses ‘Race to the Bottom‘ ausgetragen“, erklärt Natalija Svrtan, Landwirtschaftssprecherin von PAN Europe. „Je weniger ambitioniert ein Änderungsvorschlag war, desto besser waren seine Chancen auf Verwirklichung. Dass der Rat bei wichtigen Gesetzen zum Schutz der Artenvielfalt derart destruktiv agiert, ist beschämend. Die großen Herausforderungen der Biodiversitätskrise werden wir Europa so nicht lösen können“, so Svrtan weiter.

Einlenken der Mitgliedstaaten gefordert
Gegen dieses Ratsmandat hatten Österreich und Deutschland gestimmt, und damit ausgerechnet zwei Länder, die zuvor als Mitglieder der Gruppe der Zehn die Verwässerungen vorangetrieben hatten. Bei Deutschland kam der Sinneswandel mit einem Regierungswechsel, bei Österreich sind die Motive weniger klar. Klar ist jedoch, dass am 3. Februar 2022 der Trilog beginnt und die Positionen von Rat und Parlament denkbar weit auseinanderklaffen.

„Damit am Ende der Verhandlungen ein funktionierendes Gesetz herauskommen kann, müssen die Mitgliedstaaten einlenken“, fordert Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker von GLOBAL 2000 und Mitautor des Reports. „Dass mit Frankreich nun ein Land die Ratspräsidentschaft hat, welches nicht aktiv an den Verwässerungen beteiligt war, ist ein Vorteil. Ebenso, dass mit Deutschland jenes Land, das einst an vorderster Front den Gesetzesvorschlag sabotierte, nun konstruktiv agiert“, zeigt sich Burtscher-Schaden vorsichtig optimistisch für die Verhandlungen im Trilog.