Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum selbst langjährige Gentechnik-KritikerInnen plötzlich begeistert von CRISPR sind? Warum kleine ZüchterInnen und sogar LandwirtInnen hoffnungsvoll von den "Neuen Züchtungstechniken" sprechen? Haben Sie sich auch schon mal gefragt, woher all die tollen Versprechen kommen? Jeder und jede scheint mit CRISPR und Co. die eigenen Wünsche erfüllt zu bekommen. Keiner denkt dabei an Gentechnik!
Und das, obwohl seit dem 25. Juli 2018 durch den EuGH (C-528/16 - Urteil) bestätigt und damit ganz klar geregelt ist: CRISPR, TALEN, Zink Finger Nuklease (ZFN), Oligonucleotide Directed Mutagenesis (ODM), all die so genannten "Gene Editing"-Techniken sind Gentechnik. Das bedeutet sie müssen...
... nach dem EU-Gentechnik-Gesetz (EU-Richtlinie 2001/18) reguliert werden
... auf ihre potentiellen Risiken für die Umwelt oder unsere Gesundheit geprüft werden
... bei Zulassung als Gentechnik gekennzeichnet werden
Deshalb muss im Zusammenhang mit CRISPR und Co. korrekter Weise von (Neuer) Gentechnik gesprochen werden.
Das gefällt der Gentechnik-Industrie nicht. Das EuGH-Urteil stört ihre Strategie, die neuen Techniken mit fantasievollen Begriffen zu benennen und sie damit aus der Gentechnik-Regulierung raus zu halten. Damit das gelingen kann, hat der Dachverband der Saatgut-Industrie 2017 einen Kommunikations-Leitfaden verfasst.
"Erzählen Sie von Innovation, aber sagen Sie niemals "Gentechnik" zu CRISPR"
So oder so ähnlich könnte der Untertitel jenes Kommunikationsleitfadens lauten, der GLOBAL 2000 im Februar 2017 zugespielt wurde. Verfasst wurde er von der International Seed Federation (ISF). Unter dem Dach des weltweiten Verbandes befinden sich namhafte Agrar- und Gentechnik-Konzerne wie Bayer - der im Sommer 2018 den Gentechnik-Riesen Monsanto aufgekauft hat - Syngenta, Dow Agroscience oder DuPont Pioneer. Der Leitfaden bildet die Basis für eine breit angelegte Offensive, möglichst viel Positives über CRISPR und Co. zu erzählen. Mögliche Risiken werden beiseite geschoben.
Das Konzept ist einfach:
- Das politische Ziel lautet: CRISPR und Co. sollen nicht als Gentechnik reguliert werden.
- Über neue Begriffe soll davon abgelenkt werden, dass es sich bei CRISPR oder anderen Gene Editing-Techniken um Gentechnik handelt. Nach dem Motto: Was nicht Gentechnik heißt, muss auch nicht als Gentechnik reguliert werden.
- So wird der Begriff "Plant Breeding Innovation" eingeführt. Er soll suggerieren, dass es sich bei den Methoden einfach um Züchtung handelt. Schneller, präziser zwar und innovativ, aber im Grunde nichts anderes als Züchtung. Und die haben wir Menschen ja schon seit Jahrtausenden betrieben. Im Deutschen hat sich inzwischen der Begriff "Neue Pflanzenzüchtungstechniken" verbreitet.
- Zielgruppen werden identifiziert, die eine Schlüsselrolle in der Debatte spielen sollen: Regierungsmitglieder, PflanzenzüchterInnen, Forschungseinrichtungen, Handelsunternehmen, KonsumentInnen und vor allem LandwirtInnen.
- Jeder und jede soll die Versprechen hören, die ihn oder sie besonders überzeugen.
Trotz des klaren EuGH-Urteils geht die Offensive der Gentechnik-Industrie weiter. Jetzt hofft man, die Gene Editing-Techniken wieder aus der EU-Gentechnik-Richtlinie raus zu bekommen.
Warum wollen Gentechnik-Konzerne die Regulierung um jeden Preis vermeiden?
- Die Erfahrungen mit der alten Gentechnik sind negativ. Bis heute lehnen die meisten Menschen in der EU Gentechnik ab. KonsumentInnen greifen immer häufiger zu Lebensmitteln, die "Ohne Gentechnik hergestellt“ sind.
- LandwirtInnen greifen lieber zu gentechnikfreiem Saatgut. In der EU werden bis heute gerade mal 0,1 Prozent der Agrarflächen mit Gentechnik bestellt.
- Die Klassifizierung als Gentechnik bedeutet eine Regulierung unter der EU-Gentechnik-Richtlinie 2001/18. Das bedeutet:
- Potentielle Risiken, die für die Umwelt oder unsere Gesundheit entstehen könnten, müssen überprüft werden.
- Ein Zulassungsverfahren muss durchlaufen werden.
- Saatgut, Futter- und Lebensmittel müssen als Gentechnik gekennzeichnet werden.