19.09.2016

CETA - Lesen und verstehen

Making Sense of CETA. Eine Analyse des EU-Kanada-Freihandelsabkommens.

Die vorliegende Publikation analysiert die umstrittensten Aspekte des geplanten umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens CETA. Zahlreiche Expert:innen aus Kanada und der EU versammeln hier ihre Expertise und beleuchten das Abkommen aus verschiedenen Perspektiven.

In einem sind sie sich alle einig: In bestehender Form gefährdet CETA das Allgemeinwohl auf beiden Seiten des Atlantiks. In einer ganzen Reihe von Politikfeldern, von denen viele nur indirekt mit Handel zu tun haben, erhebt CETA die Rechte von Unternehmen und ausländischen Investoren über das Wohl von Bürgern und Bürgerinnen sowie der breiten Allgemeinheit.

ISDS - Investor-Staatschiedsgerichte

Mit CETA soll das alte System der Investor-Staat-Schiedsgerichte durch ein neues „Investment Court System“ (ICS) ersetzt werden. Großartige Änderungen sind darin allerdings nicht enthalten. Zwar werden einige Verfahrensaspekte verbessert, aber der umfangreiche Schutz für Investoren bleibt weitgehend unverändert. Ausländische Investoren erhalten umfangreiche Klagerechte gegen Regierungsmaßnahmen, die ihre Investitionen möglicherweise beeinträchtigen. Ein solcher Schutz wird uns Bürger:innen oder inländischen Investoren nicht gewährt. Zudem wird ICS von Investoren als Drohung eingesetzt, um neue Regulierungen im öffentlichen Interesse zu bekämpfen.

Finanzdienstleistungen

CETA sorgt für einen Anstieg der grenz-übergreifenden Finanzdienstleistungen und erleichtert den Zugang von Direktinvestitionen zum finanziellen Sektor. Dadurch ermutigt das Abkommen die Finanzindustrie größere Risiken einzugehen um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Völlig ungeachtet der Finanzkrise setzt CETA den Sektor für finanzielle Dienstleistungen einem erhöhten Wettbewerb aus und übt starken Druck auf Aufsichtsvorschriften aus. Dadurch sind beide Vertragsparteien anfälliger für Finanzschocks und Dominoeffekte.

Öffentliche Dienstleistungen

Während eine begrenzte Anzahl öffentlicher Dienstleistungen von einigen Bestimmungen in CETA ausgeschlossen ist, sind zentrale Vorbehalte äußerst schwach formuliert oder mangelhaft. Der Investitionsschutz unterläuft die Fähigkeit von Regierungen, ihre öffentlichen Dienste auszuweiten oder in der Zukunft neue zu etablieren. CETA steht in starkem Widerspruch mit der Freiheit gewählter Regierungen, privatisierte Dienstleistungen zurück in die öffentliche Hand zu bringen.

Regulatorische Kooperation

CETA schafft eine Reihe von Institutionen und Prozesse, die es ausländischen Regierungen erlauben, sich bei der Einführung neuer interner Regulierungen einzumischen. Dies kann Gesetzgebung im Sinne des öffentlichen Interesses verlangsamen oder verhindern und letztlich das Vorsorgeprinzip untergraben. Die Bandbreite der davon betroffenen Bereiche ist enorm: Sie umfasst nicht nur Waren und Dienstleistungen, sondern auch Investitionen und andere Felder. Jeder Versuch einer „Harmonisierung“ der Regulierungen von Kanada und der EU bringt die Gefahr mit sich, dass Standards bis auf den kleinsten gemeinsamen Nenner abgesenkt werden.

Patente und Urheberrechte

CETA stärkt die Position von Patentinhaber:innen gegenüber Entwickler:innen und Verbraucher:innen und bestärkt damit die bereits jetzt zerstörerische Praxis von Patenttrollen in der Software- und anderen Industrien.

Landwirtschaft

CETA bedeutet einen herben Rückschlag für bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft. Durch die Erhöhung zollfreier Importquoten etwa für Milch und Fleisch werden Bäuerinnen und Bauern einem erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Dies kann sie dazu zwingen, in ihren Produktionsmethoden weniger auf Nachhaltigkeit als auf Kostensenkung und profitable Ergebnisse zu setzen. Zudem geraten Produktions- und Verarbeitungsstandards mit CETA unter weiteren Druck. Praktiken, die in Kanada als sicher gelten (Behandlung von Fleisch mit Milchsäure, Verwendung von Hormonen in der Rindfleischproduktion oder Nutzung genetisch modifizierter Organismen) sind in der EU mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip untersagt. Solche Vorsorgemaßnahmen können unter CETA auf Basis des „Nachsorgeprinzips“ angegriffen werden.

Klima und Energie

CETA gefährdet eine zukunftsfähige Klima- und Energiepolitik. Der Investitionsschutz kann eingesetzt werden, um Bemühungen zu untergraben, die fossile Energieproduktion herunterzufahren sowie Erneuerbare Energien zu fördern. CETA enthält keinerlei Bestimmungen, Maßnahmen zur Abwendung des Klimawandels vor Investor-Staat-Klagen zu schützen. Formulierungen zum Schutz von Umweltschutzmaßnahmen und zur Regulierung von Ressourcen sind sehr schwach.

Arbeitsrechte

CETA verfehlt das Ziel, im Bereich der Arbeitsrechte bindende und durchsetzbare Bestimmungen zu errichten, die Arbeitsstandards in der EU und in Kanada effektiv schützen und verbessern.

Kultur

Kanada und die EU waren die beiden treibenden Kräfte hinter der UNESCO-Konvention über Kulturelle Vielfalt aus dem Jahr 2005. Umso enttäuschender ist, dass beide Parteien diese Verpflichtungen im CETA-Vertrag lediglich „bekräftigen“, eine verbindliche Sprache zum Schutz der kulturellen Vielfalt ist nicht zu finden. Mehr noch, während Kanada weitgehende Ausnahmen für seine Kulturwirtschaft durchgesetzt hat, ließ die EU nur wenige Bereiche seiner Kulturwirtschaft ausnehmen.