Wie funktioniert ein Einweg-Pfandsystem?

Die Zeit ist reif für ein Einweg-Pfandsystem in Österreich, doch wie genau kann sowas aussehen und wer trägt die Kosten?

Zentrales Pfandsystem

Zentral gesteuerte Systeme werden vor allem in Skandinavien und im Baltikum angewendet. Material und Geldflüsse werden von einer Non-Profit-Organisation zentral gesteuert. Dem Lebensmitteleinzelhandel wird eine Manipulationsgebühr pro Einheit bezahlt. Hier werden die finanziellen Mittel aus dem Pfandschlupf für den Betrieb des Systems verwendet. Dieses System ist transparenter und fairer für alle Beteiligten. Wie es genau funktioniert, wird im folgenden Video von Reloopexternal link, opens in a new tab (englisch) erklärt:

Dezentrales Pfandsystem

In Deutschland ist das Pfandsystem dezentral gesteuert. Hier kann der Handel das gesammelte Material aus den Rückgabeautomaten behalten und gewinnbringend verkaufen, bzw. für die Produktion der Flaschen der Eigenmarken nutzen. Allerdings ist dieses System für kleinere Betriebe meist komplizierter, da sie die kleinen Mengen an Material fürs Recycling nur schwer verkaufen können und der Pfandschlupf (Geld, das vom Handel nicht ausbezahlt werden muss, wenn die Flasche nicht zurückgebracht wurde) oft ungerecht verteilt ist.

[Deutsch] Pfandsystem: Wie es funktioniert (Lange Version)

Die Finanzierung des Systems:

Ein Pfandsystem für Einweg-Getränkeverpackungen wird in einem zentralen System durch drei Mechanismen finanziertexternal link, opens in a new tab:

  • nicht eingelöstes Pfandgeld
    Obwohl die Rückgabequoten generell über 90 % liegen, werden dadurch Einnahmen für das System generiert. Somit tragen auch die Personen, die Getränkeverpackungen achtlos in die Natur werfen oder nicht richtig entsorgen, die Kosten, die andernfalls externalisiert werden würden – das funktioniert ganz nach dem Verursacherprinzip.
  • ein Produzentenbeitrag
    Der Produzentenbeitrag liegt in einem zentralen Pfandsystem bei einem winzigen Bruchteil pro Artikel liegt, etwa zwischen 0,9 bis 3 Cent.
     
  • Verkauf von Rezyklat
    Im Gegensatz zu vermischtem und oft minderwertigerem Recyclingmaterial aus den Sammelstationen, stellt das große Volumen an qualitativ hochwertigerem Recyclingmaterial aus Glas, Metall und PET (Plastik), das durch ein Pfandsystem zurückgewonnen wird, eine abschließende Einnahmequelle dar.

Pfandsystem im Lebensmitteleinzelhandel

So funktioniert ein Pfandsystem im Lebensmitteleinzelhandel:

  • Bepfandete Getränkeverpackungen werden von Getränkelieferanten wieder mitgenommen, somit entstehen keine zusätzlichen Transportwege und das Leergut wird rasch abtransportiert.
     
  • Alle modernen Pfandsysteme sehen eine Ausnahmeregelung für kleine Läden vor, die keinen Platz für die Rücknahme von Leergut haben. Die angemessene Größenordnung für Österreich muss im Gespräch mit kleinen Unternehmen festgelegt werden. Sollte es für ein kleines Unternehmen dennoch - aufgrund der Manipulationsgebühr oder erhöhter Kundenfrequenz durch Rückgabe von Leergut - wirtschaftlich interessant sein Getränkeverpackungen entgegenzunehmen, hat es die Möglichkeit dies zu tun.
     
  • Für die Rücknahme von Getränkeverpackungen werden dem Handel (in einem zentral gesteuerten Pfandsystem) für jede einzelne Flasche eine Manipulationsgebühr bezahlt. Damit werden die Kosten für die Rücknahme abgedeckt (Automatenkauf, Verlust von Geschäftsfläche, Strom, Internet, Leerung).
     
  • Kunden geben mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leerpfand im gleichen Shop wieder zurück.
     
  • Nach dem Litauischen Model werden Rückgabeautomaten vom Betreiber bereitgestellt und müssen nicht vom Lebensmitteleinzelhandel bezahlt werden. Der Betreiber und der Supermarkt bekommt für die Bereitstellung von Fläche, Strom, Internet und Reinigung pro Flasche eine Manipulationsgebühr.

In Deutschland spricht sich der Bund Getränkeverpackungen der Zukunft (Getränkeherstellern, Handel und der Verpackungsindustrie) für die Beibehaltung der Pfandpflicht aus: „Das Pfandsystem hat sich bewährt. Der Verbraucher hat sich daran gewöhnt, Hersteller und Handel haben sich darauf eingerichtet. Das Pfandsystem hat zu einer deutlich höheren Wiederverwertungsrate von PET und Metall geführt. Inzwischen werden bepfandete Dosen und PET-Einwegflaschen bis zu 99 Prozent recycelt. Der positive Nebeneffekt: Einweg-Getränkeverpackungen landen nicht in der Landschaft und sind vom Abfall zum Rohstoffreservoir geworden.“

Pfandsystem für Österreich

aleks333 / Shutterstock

Entstehen dadurch mehr Kosten für die öffentliche Hand?

Es hat sich gezeigt, dass für die öffentliche Hand durch die Einführung eines Pfandsystems Kosten auf folgende Weise gesenkt werden:

  • geringerer Bedarf an Müllsammlung im öffentlichen Raum und in der Natur
  • geringere Belastung von Straßenmülleimern und dadurch niedrigere Leerungsfrequenz (und dadurch verbunden geringere Abfallgebühren)

Leere Dosen und PET-Flaschen nehmen aufgrund ihres Volumens einen großen Platz in Mülleimern ein. Das meiste ist Luft, dadurch quellen Mülleimer deutlich schneller über und müssen häufiger gelehrt werden.

Entstehen dadurch mehr Kosten für Hersteller?

Derzeit zahlt der Handel/Hersteller Lizenzgebühren an die ARA (Altstoff-Recycling-Austria), die sich in Österreich hauptsächlich um das Müll-Recycling kümmert. Womit sich die ARA allerdings nicht beschäftigt, ist Müll der in der Natur landet. Die  Single-Use Plastics Directive verlangt aber, dass EU-Staaten ein Schema für erweiterte Produzentenverantwortung aufbauen. Das bedeutet, das Hersteller von Einweg-Plastikprodukte für die Kosten, die durch die Müllsammlung entstehen, aufkommen müssen. Das beinhaltet den Transport, die Behandlung, Kosten, die durch das Entfernen von „gelitterten“ Abfällen entstehen und Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung. Mit anderen Worten: Littering wird in Zukunft ein teurer Spaß für Hersteller und Einzelhändler mit Eigenmarken.

Da ein Pfandsystem Littering stark reduziert, würden sich künftig auch die Kosten die durch Littering anfallen deutlich senken.

    Auswirkungen eines Pfandsystems auf Mehrweganteile im Getränkesortiment

    Lag die Mehrwegquote Anfang der 90er noch bei 80 % ist sie in Österreich mittlerweile auf 18,4 % (2018) gesunken. Mit Einweg-Getränkeverpackungen werden deutlich mehr Ressourcen und Energie verbraucht. Daher ist es wichtig, dass in einem Pfandsystem Mehrweg-Getränkeverpackungen durch Quoten gefördert werden. Mehrweg-Getränkeverpackungen sind langfristig die einzige Möglichkeit Ressourcen im Getränkeverpackungsbereich einzusparen.

    Der Anteil an Mehrweg ist in Deutschland auch gesunken, jedoch weitaus nicht so drastisch, wie in Österreich.

    Im Wassersortiment ist der Rückgang von Mehrweg auf den Preiskampf von Diskontern zurückzuführen. Aldi und Lidl besitzen die Hälfte der Marktanteile im Mineralwassersegment und refinanzieren die billigen Preise durch andere Produkte. Kleine Abfüller, die meistens Mehrwegflaschen nutzen, haben dadurch enorm schwierige Voraussetzungen zu konkurrieren. Dennoch liegt der Mehrweganteil bei Wasser immer noch weit über den 15,8 % in Österreich – und zwar bei 38,4 %.

    Beim Biersortiment in Deutschland lag der Anteil von Mehrweg vor der Einführung des Pfandsystems 2002 bei rund zwei Drittel und Ende 2003 bereits bei 89 %. Folglich wurde der Marktanteil von Dosen deutlich reduziert und die Einführung des Einweg-Pfands übernahm eine stark bremsende Wirkung beim Rückgang von Mehrweg oder förderte den Mehrweganteil sogar deutlich. In Deutschland wird auf Mehrweg-Bierflaschen acht Cent Pfandabgabe verlangt und Einweg ist gesetzlich mit 25 Cent festgelegt – dadurch wird Waffengleichheit zwischen Einweg und Mehrweg geschaffen, da der Gesamtpreis von Einweg etwas höher ist. Generell ist aber eine zusätzliche Abgabe auf umweltschädliche Einweg-Verpackungen anzudenken.

    Aus Sicht von Deutschland kann nicht nachvollzogen werden, dass Einweg-Pfand durch Platzbedarf und Leergutmanipulation aufwändigere Mehrwegsysteme aus den Supermärkten verdrängt. Platz für Mehrweg muss vorher schon vorhanden gewesen sein, durch häufige Abholintervalle der Getränkelieferanten können Lager schnellstmöglich leergeräumt werden.

    Was ist für ein ideales Pfandsystem notwendig?

    • Klare Kennzeichnung von „Einweg“ und „Mehrweg“ auf dem Produkt, damit für Verbraucher leicht ersichtlich ist, was sie kaufen.
       
    • Eine Mehrwegquote auf Unternehmensebene inkl. Sanktionen bei Nichteinhaltung. Branchenübergreifenden Quoten für den gesamten Lebensmitteleinzelhandel sind nicht zielführend, wie sich in Deutschland zeigt. Dort weigern sich Diskonter Mehrweg ins Sortiment aufzunehmen. Daher wird die Zielquote von 70 % nicht erreicht. Da es branchenübergreifende Quoten sind, können aber diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, auch nicht sanktioniert werden.
       
    • Gleichzeitig müssen unökologische Einweggetränkeverpackungen durch eine zusätzliche Abgabe unattraktiver gemacht werden.
       
    • Alle Getränkearten (auch Saft sowie Milch und Molkeprodukte) müssen in die Pfandpflicht inbegriffen sein, ansonsten kann es zu Pfandumgehungen kommen, indem Molke in minimaler Menge beigemischt wird und das Getränk dadurch pfandfrei ist. Dieses sogenannte „Molkeschlupfloch“ wurde in Deutschland mit dem neuen Verpackungsgesetz zum 01.01.2019 geschlossen.
       
    • Im System sollte Plastik (primär PET), Dosen (Aluminium / Stahl) und Glas inkludiert sein.