07.01.2021

Ein Jahr Türkis-Grün: Wir ziehen Bilanz

Große Versprechungen, große Erwartungen - und großer Nachholbedarf bei Klima- und Artenschutz

Anlässlich des einjährigen Bestehens der türkis-grünen Bundesregierung, die mit ambitionierten Zielen für Klima- und Artenschutz angetreten war, ziehen wir heute eine erste Zwischenbilanz.

Mit ihrem Regierungsprogramm präsentierte Türkis-Grün im Jänner letzten Jahres ein ambitioniertes Paket mit umweltpolitischen Vorhaben. Doch fehlt es immer noch an der konkreten Umsetzung der Pläne und zukunftsfähigen Lösungen.

Große Versprechungen verlangen nach Umsetzung

Das aktuelle Regierungsprogramm beinhaltet viele ambitionierte Ziele, unter anderem, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Jedoch kann Österreich die Trendwende in Richtung Klimaschutz nur schaffen, wenn konkrete Pläne auch umgesetzt werden. Praktisch alle für das Jahr 2020 vorgesehenen Vorhaben wurden verschoben. Nur mit raschen und wirksamen Maßnahmen können wir die Klimaschutzziele erfüllen. Es muss kommendes Jahr gelingen, bahnbrechende Gesetze auf Schiene zu bringen. Hier sollten ein Ökobonus und ein CO2-Preis im Rahmen einer öko-sozialen Steuerreform Vorrang haben.

Außerdem braucht es ein wirksames Klimaschutzgesetz ebenso wie ein Gesetz, das den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen klar regelt. Noch immer sind 600.000 veraltete Ölheizungen und 900.000 Gasheizungen in Österreich in Betrieb. Sollten weitere Konjunkturhilfen geplant werden, müssen diese an klare Klimaschutzkriterien gebunden werden, um so Anreize für klimafreundliche Zukunftsinvestitionen zu setzen.

Mobilitätswende dringend notwendig

Nach wie vor ist der Verkehr das „Sorgenkind“ der Klimapolitik Österreichs. Gegenüber dem Jahr 1990 sind die Treibhausgasemissionen um 75 % gestiegen. Trotzdem hat es auch hier im vergangenen Jahr zu wenig Fortschritte gegeben. Einzig die Diskussionen um das 1-2-3 Ticket wird klimafreundliche Mobilität nicht in die richtige Richtung bringen. Um die Mobilitätswende endlich einzuleiten, ist es notwendig, alle Verkehrsknoten sinnvoll zu vertakten und öffentliche Verbindungen stärker als bisher geplant auszubauen. Nur wenn es sinnvolle öffentliche Verkehrsverbindungen gibt, die auch für alle leistbar sind, wird die Bevölkerung in Österreich nicht mehr an die klimaschädliche Fortbewegung mit dem Auto gebunden sein.

Landwirtschaft und Biodiversität

Die österreichische Landwirtschaftspolitik unter Türkis-Grün ist bisher vor allem dadurch aufgefallen, die Zielvorgaben des Europäischen Grünen Deals zu torpedieren und ihre Implementierung in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu verhindern. Diese europäischen Zielvorgaben umfassen insbesondere die Verringerung des Pestizid- und Antibiotikaeinsatzes um die Hälfte und des Düngemitteleinsatzes um 20 % sowie eine Steigerung der Biolandwirtschaft auf 25 % bis zum Jahr 2030. Doch anstatt diese Pläne der EU-Kommission zum Schutz des Wassers, des Bodens und der Artenvielfalt zu unterstützen, hatte sich das Landwirtschaftsministerium an die Spitze jener Mitgliedsstaaten gestellt, welche die gesetzliche Implementierung - insbesondere des 50 % Pestizidreduktionsziels - verhindern bzw. verwässern möchten. Auch der Strategieplan für die nationale Umsetzung der GAP lässt erahnen, dass die österreichische Landwirtschaftspolitik ihren bisherigen Kurs weiterfahren möchte und im Bereich der biologische Landwirtschaft sogar eine Schwächung drohen könnte.

Zu dieser rückwärtsgewandten Landwirtschaftspolitik passt auch die offensichtliche Weigerung der Bundesregierung, das Glyphosatverbot umzusetzen. Und das, ob wohl es bereits vom Parlament beschlossen, von der überwältigenden Mehrzahl der ÖsterreicherInnen unterstützt und von Bundeskanzler Kurz schon im Dezember 2017 als eine der ersten Maßnahmen seiner Kanzlerschaft unter Türkis-Blau angekündigt wurde.

Mit dieser Politik des „business as usual“ stellt sich das österreichische Landwirtschaftsministerium gegen den wachsenden wissenschaftlichen Konsens, dass die Wahrung unserer Lebensgrundlagen nach weitreichenden und tiefgreifenden Veränderungen verlangt. Stattdessen wird entgegen den Fakten das Mantra vom „Umweltmusterland Österreich“ gebetsmühlenartig wiederholt. Die Umweltziele des Europäischen Grünen Deals drohen damit außer Reichweite zu gelangen. Die Bundesregierung und das Umweltministerium im Besonderen sind daher dringend gefordert, einen Kurswechsel in der österreichischen Landwirtschaftspolitik einzuleiten.

Kreislaufwirtschaft

Nach den Prinzipien „Vermeiden, Wiederverwenden und Verwerten“, sollen wertvolle Ressourcen verantwortungsbewusst, sparsam und effizient genutzt werden. So soll das Österreichische Kunststoffprogramm die Reduktion von Plastik weiter vorantreiben – u.a. mit einer gesetzlichen Verankerung eines Reduktionsziels für Plastikverpackungen um 20 %, dem gesetzlich verbindlichen Ausbau von Mehrweg sowie der konsequenten Umsetzung der EU-Einwegplastikrichtlinie. Im Jänner letzten Jahres attestierte eine Studie unmissverständlich die ökonomischen und ökologischen Vorteile eines Einwegpfandsystems für die Erreichung der EU-Vorgaben aus der Einwegplastikrichtlinie. Ein Einwegpfand würde zusätzlich einen wertvollen Beitrag für die Erfüllung der Recyclingvorgaben aus dem EU-Kreislaufwirtschaftspaket leisten und einen Ausgleich für Mehrweg schaffen. In der längst überfälligen Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle müssen diese angekündigten Plastikreduktionsmaßnahmen nun auch konsequent umgesetzt und der Weg für eine ressourcenschonendere Zukunft geebnet werden.

Aus der Krise lernen

Die neue Bundesregierung hatte mit dem Jahr 2020 keinen einfachen Start. Doch im ersten Halbjahr stellte sie angesichts der ersten Covid19-Welle unter Beweis, dass sie rasch effiziente Entscheidungen treffen kann. Genau diese Handlungsmotivation braucht es auch bei der Bekämpfung der Klima- und Artenkrise, um in eine nachhaltige Zukunft zu steuern und unsere Wirtschaft auf eine Trendwende vorzubereiten. Denn das zweite Halbjahr hat uns gelehrt, wie wichtig es ist, Warnsignale rechtzeitig zu erkennen, um zeitnah und adäquat auf Krisen zu reagieren. Bislang ist eine solche Entschlossenheit in der österreichischen Umweltpolitik nicht erkennbar.

Wir fordern nach dem Ende der Corona-Krise einen mutigen Neustart, mit einer Wiederbelebung der Wirtschaft, die nicht an veralteten Systemen festhält, sondern zukunftsorientierte Lösungen bringt und grüne, zukunftsfähige Jobs schafft.