19.05.2011

Mit Ökostrom in die Zukunft

Die Katastrophe in Japan und der 25-igste Jahrestag des Super-GAUs von Tschernobyl haben vielen Menschen die Risiken der Atomenergie wieder drastisch vor Augen geführt. GLOBAL 2000 sprach mit oekostrom-Vorstand Horst Ebner über die momentane Situation des Ökostrom-Marktes.

Bild: Thomas Kirschner
Thomas Kirschner

Am Samstag, den 6. September 2014, auf der Wiener Donauinsel

GLOBAL 2000: Macht sich die Stimmung nach der Katastrophe in Fukushima beim Neukundenzuwachs bemerkbar?

Ebner: Die Katastrophe am 11. März und der Jahrestag haben natürlich das Interesse an den erneuerbaren Energien massiv verstärkt. Wir haben in den vergangenen Woche 1.000 Neukunden verzeichnet. Es zeigt, dass es der Menschheit einfach wehtun muss, bis wir uns ändern und darüber nachdenken, welche Risiken wir eingehen wollen. Aufgefallen ist uns auch, dass die Menschen grundsätzlich verwundert sind, dass oekostrom aufgrund der neuen Produktpalette – seit 1.1.2011 – auch preislich konkurrenzfähig ist. D.h. Interessenten und Neukunden wären durchaus bereit ein paar Euros mehr für sauberen Strom zu zahlen.

GLOBAL 2000: Wie hoch ist der Anteil der oekostrom AG an der Erzeugung von erneuerbarer Energie?

Ebner: Die oekostrom AG hat nur einen geringen Anteil an der Produktion. Wir betreiben drei Windparks mit einer installierten Leistung von rund 25 MW. Die oekostrom AG ist vielmehr eine Vermarktungsplattform für die „neuen“ erneuerbaren Energien. Wir sind eine Publikumsgesellschaft mit rund 2.000 Aktionären. Die meisten Aktien sind im Streubesitz, laut Satzung darf niemand mehr als 15 Prozent der Anteile halten.

GLOBAL 2000: Sie versprechen Ihren Kunden Strom, der zu 100 Prozent ökologisch erzeugt wird. Wie und wo erzeugen Sie Ihren Strom?

Ebner: Unser Strom stammt zu 100 Prozent aus sauberen österreichischen Ökostromkraftwerken. Unsere Kunden haben die Sicherheit, dass ihr Geld nicht bei Kohle- und Atomkraftwerken landet. Die oekostrom Vertriebs GmbH bezieht oekostrom® für ihre Kunden – 100 Prozent erneuerbare Energie aus Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft – aus eigenen Kraftwerken, zertifizierten Anlagen unabhängiger heimischer Ökostromanbieter und von mittlerweile mehr als 500 Solarkraftwerken unserer oekostrom®-Partner.

GLOBAL 2000: Wo genau unterscheidet sich ihr Unternehmen von anderen Anbietern?

Ebner: Wir kaufen neben dem Anteil, den die Ökostromabwicklungsstelle OeMAG allen Energieversorgern zuweist, Ökostrom direkt beim Erzeuger zu. Außerdem zahlen wir nicht nur den Marktpreis, sondern auch einen Aufschlag an die Windpark-, Wasserkraftbetreiber und Photovoltaikanlagenbesitzer. Es ist ja mit Blick auf die Zukunft Sinn und Zweck, dass die Produktion von Ökostrom nicht nur von der Förderung abhängt, sondern auch von den Kunden nachgefragt und bezahlt wird.

GLOBAL 2000: Wie können Ihre Kunden überprüfen, dass sie wirklich ökologisch produzierten Strom erhalten?

Ebner: oekostrom® garantiert den Kunden die Belieferung mit Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energiequellen. Als einziger der reinen Ökostromanbieter Österreichs führen wir eine eigene Bilanzgruppe. Innerhalb einer Bilanzgruppe kann die Herkunft jeder eingekauften Kilowattstunde Strom unzweifelhaft nachvollzogen werden. So können wir 100-prozentig sicherstellen, woher der Strom kommt. Die Energie stammt aus einem klar definierten und nachvollziehbaren Kraftwerkspark. Das Führen einer Bilanzgruppe ist Voraussetzung für eine lückenlose Kontrolle und Überwachung und der konsequenteste Nachweis von Sauberkeit gegenüber den Kunden. oekostrom nennt alle Kraftwerke, von denen Strom bezogen wird – eine in der Strombranche noch immer außergewöhnliche Transparenz.

GLOBAL 2000: Sie kaufen auch keinen anonym erzeugten Strom für Ihre Kunden zu?

Ebner: Bei der oekostrom-Stromkennzeichnung werden nur Zertifikate mit physikalischer Lieferung verwendet. oekostrom®-Kunden unterstützen somit keinesfalls die Stromerzeugung aus atomaren oder fossilen Energieträgern. Dass ein Ökostromanbieter an der Strombörse in Leipzig nicht handeln darf, versteht sich von selbst. Da man an der Strombörse nicht wissen kann, welchen Strom man bezieht, schließt sich der Strombezug über eine Strombörse für einen Ökostromanbieter aus.

GLOBAL 2000: Sie erzeugen Strom auch mit eigenen Windkraftanlagen. Gibt es hier nicht immer wieder starken Widerstand von Bürgerinitiativen, die sich aus ökologischen Gründen gegen diese Art der Energiegewinnung wehren?

Ebner: Das ist von Projekt zu Projekt sehr unterschiedlich. Unsere Windparkprojekte sind bisher sehr gut angenommen worden. Aus unserer Sicht kommt es ganz darauf, an wie man auf die Menschen zugeht. Wir entwickeln unsere Projekte gemeinsam mit der Gemeinde, den Anrainern und den Grundstückbesitzern. Wenn man hier Flexibilität zeigt und die Menschen ernst nimmt, dann gibt es normalerweise auch keine Probleme.

 

GLOBAL 2000: Welche Form der erneuerbaren Energie hat ihrer Meinung nach mittel- und langfristig das größte Potential, und wie könnte ein nachhaltiger Energiemix der Zukunft aussehen?

Ebner: Aus meiner Sicht gibt es nur drei, maximal vier Energieerzeugungsarten der Zukunft. Das sind Windkraft, Sonne, Wasserkraft und Biomasse – eben die erneuerbaren Energiequellen. Welche davon, ist gar nicht die Frage. Ich glaube, wir müssen die Potentiale aller vier Möglichkeiten so gut wie möglich nutzen. Ich sehe das auch als einen Wettbewerb der Ideen.

GLOBAL 2000: Strom muss immer genau dann erzeugt werden, wenn er gebraucht wird. Der Wind oder die Sonne richten sich aber nicht nach den Bedürfnissen der Verbraucher. Sind sie bei Verbrauchsspitzen nicht auch auf Strom von Gas- und Atomkraftwerken angewiesen?

Ebner: Also zu Letzterem sage ich entschieden: Nein, wir können Spitzen auch ohne Atomstrom oder thermische Kraftwerke abdecken. Die Fluktuation gleichen wir über die Wasserkraft aus. Dazu haben wir Rahmenverträge, wodurch wir bei Bedarf eben höhere Mengen abnehmen können als im Normalfall. Wenn wir wissen, dass am nächsten Wochenende kein Wind weht, können wir die Abnahmemenge bei den Wasserkraftwerken höher nominieren und dann liefern uns diese mehr Strom. Das ist mit Wasserkraftwerken möglich, weil deren Grundlast relativ gut prognostizierbar ist.

GLOBAL 2000: Abgesehen vom Ausbau der „Erneuerbaren“ – wo liegt die größte Herausforderung in der Energiepolitik?

Ebner: In der „Energieeffizienz“. Eine reine Transformation des Energieerzeugungsmixes von alt auf neu wird nicht funktionieren. Es gibt zwar unendlich viel Sonnenenergie, aber diese so zu nutzen, dass man große Blöcke, sei es thermisch-fossil oder nuklear, abschalten kann – so viel Zeit werden wir nicht haben. Daher müssen wir jetzt schon beginnen unseren Energieverbrauch einzudämmen. Und da geht es nicht nur um den Stromverbrauch sondern um den Gesamtenergieverbrauch.


Thomas Kirschner

oekostrom-Vorstand Horst Ebner

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