Nationalpark Garten Familie im Interview: St. Barbara Friedhof in Linz

Der St. Barbara Friedhof in Linz ist nicht nur einfach ein Friedhof. Das Areal ist die zweitgrößte Grünfläche in der Stadt und sieht sich in der Verantwortung hier Vielfalt zu schaffen. Gegründet 1785 beherbergt der Friedhof nicht nur Gräber von verschiedenen Konfessionen, sondern auch eine große Vielfalt an Pflanzen und Tieren auf rund 120.000 m2. Wir sind mit dem Betriebsleiter Mst. Stefan Oberklammer durch den Friedhof spaziert und haben mit ihm über die naturnahe Bewirtschaftung, die regelmäßige Aufforstung und die Tierwelt im ersten Nationalpark Garten Friedhof gesprochen.

Eine Projekt am St. Barbara Friedhof greift den Kreislauf des Lebens auf sehr spezielle Weise auf. Im Apfelbaum Urnengarten stehen Apfelbäume der Sorte Jonagold und Idared. Gemeinsam mit dem Wiener Bildhauer Arnold Reinthaler wurde der Urnengarten gestaltet. Um mehrere Baumstämme herum wurden Sitzplätze in Form von steinernen Apfelringen installiert. In der Wiese, rund um die Bäume, werden biologisch abbaubare Urnen beigesetzt. Anstelle von schweren Grabsteinen werden Erinnerungszeichen in Form von portablen Apfelkernen aus Stein auf die Grabstelle gelegt.

Der Betriebsleiter des Friedhofs, Stefan Oberklammer, hat uns neben diesem interessanten Projekt auch noch viele weitere spannende Projekte im Interview vorgestellt.

GLOBAL 2000: Warum haben Sie sich entschieden, an dem Projekt Nationalpark Garten teilzunehmen und wie haben Sie von Nationalpark Garten erfahren?

Stefan Oberklammer: Der Sohn des Friedhof-Verwalters hat mir den Link zum Nationalpark Garten zukommen lassen. Ich hab mir das dann angesehen und mir gedacht, dass das auch eine coole Idee für unseren Friedhof ist. So hat sich das ergeben!

GLOBAL 2000: Woher haben Sie Ihr Know-How fürs biodiverse, naturnahe Garteln? 


Stefan Oberklammer: Ich bin gelernter Landschaftsgärtner und zertifizierter Baumkontrolleur und bilde mich in diesem Bereich auch laufend weiter.

GLOBAL 2000: Hat Ihnen GLOBAL 2000 mit der Initiative Nationalpark Garten beim naturnahen Gärtnern geholfen?

Stefan Oberklammer: Ja, ich sehe mir dir Tipps regelmäßig an. Grundsätzlich bin ich gelernter Landschaftsgärtner und darum ist es mir ein großes Anliegen naturnah zu Gärtnern. In meiner Karriere hab ich mit den klassischen chinesischen Gärten begonnen und das hat mir irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Das war mir alles zu gestylt und die Natur zu sehr in Bann gehalten. Darum bin ich die letzten Jahr mehr in Richtung Naturgarten gegangen. Zuhause hab ich auch einen bisschen einen wilderen Garten, es ist zwar nur ein kleiner Reihenhausgarten, aber er ist relativ gut besiedelt. Ich hab sogar einen kleinen Igel.

Aufgelassene Wandgräber werden mit Blumenwiesen aufgewertet und fördern so Biodiversität.

GLOBAL 2000: Wann haben Sie den Friedhof auf natürliches Gärtnern umgestellt und wie schwer war das?

Stefan Oberklammer: Ich habe heuer die Betriebsleitung des St. Barbara Friedhofs übernommen und am Anfang war es nicht ganz so einfach. Ein Beispiel: wir haben ein paar aufgelassene Wandgräber, die brach liegen. Bisher wurde einfach eine Schicht Rindenmulch aufgetragen, was wahnsinnig pflegeintensiv war in Punkto Unkrautzupfen. Daher hab ich dieses Jahr beschlossen, eine Blumenwiese zu säen. Da haben sich dann einige Besucher:innen beschwert, wieso wir die Flächen nicht pflegen und uns nicht darum kümmern. Es ist hier noch Aufklärungsarbeit nötig. Aber wenn man das dann erklärt, wird es von den meisten Besucher:innen gut angenommen.

GLOBAL 2000: Welche Tiere und heimische Nützlinge konnten Sie bereits am Friedhof beobachten? Welche sind Ihnen am liebsten?

Stefan Oberklammer: Wir haben viele Igel. Wir haben vor vier Jahren mit Igelhaufen angefangen und merken, dass jedes Jahr die Population größer wird. Wir haben viele Insekten und auch viele Bienen. Auf unserem Grundstück gibt es auch eigene Bienenstöcke von der Stadtimkerei „Linzer Biene“. Dann habe wir noch viele Hasen und dieses Jahr hatten wir zum ersten Mal drei brütenden Falkenpärchen. Am liebsten hätte ich gerne mehr Eichkätzchen hier im Friedhof. Dieses Jahr hab ich zum ersten Mal welche gesehen, aber bis jetzt sind es noch sehr wenige.

Igelhaufen und Bienenstöcke für mehr Summen, Brummen und Krabbeln

GLOBAL 2000: Haben Sie generell Veränderungen im naturnahen Friedhof bemerkt?

Stefan Oberklammer: Ich bin seit 5 Jahren hier und kenn meine Bäume schon wirklich gut, aber die letzten drei Jahre sind dramatisch gewesen. Besonders bei den Birken sieht man es sehr deutlich. Die fangen an sich von oben einzuziehen, weil es so trocken ist. Wir verlieren im Schnitt 10-15 Großbäume im Jahr aufgrund des Klimawandels. Ich merk das auch bei anderen Bäumen, daher leg ich großen Wert darauf heimische und angepasste Arten zu verwenden. Heuer haben wir ein paar mal ordentlich gießen müssen. Um hier die Bäume effizienter zu bewässern, haben wir bei einigen Bäumen Gießdrainagen angebracht. Dazu gräbt man ein Rohr in den Boden ein und da gießt man rein. Somit erreicht das Wasser direkt die Wurzeln und verschlemmt den Oberboden nicht.

GLOBAL 2000: Welche Pflanzen sind Ihrer Meinung nach besonders gut für die Förderung von 
Biodiversität?

Stefan Oberklammer: Heimische Pflanzen! Wir haben hier im Friedhof leider auch einige Exoten. Aber ich pflanze nur mehr heimische Bäume und Pflanzen. Der richtige Baum am richtigen Standort, gemeinsam mit der richtigen Pflege und Bewässerung funktioniert einfach am besten.

GLOBAL 2000: Haben Sie seit der Umstellung Veränderungen im Tier- und Pflanzenbereich feststellen können?

Stefan Oberklammer: Vor allem Insekten sind mehr geworden. Ansonsten haben wir viele (Linden-)wanzen (lacht), da haben wir ungefähr hunderttausende und die sind auch mehr geworden. Dadurch kommen dann auch viel mehr Vögel zu uns. Unser Friedhof beheimatet ungefähr 25 verschiedene heimische Vogelarten. Für diese haben wir zirka 120 Brutkästen an den Bäumen aufgehängt. Die werden jedes Jahr im Herbst nach der Brut ausgeräumt und gereinigt, damit sie nachher wieder bewohnt werden können. Dieses Ausputzen ist sehr wichtig, damit keine Krankheiten entstehen. Ich möchte die Brutkästen auch noch weiter ausbauen.
 Aktuell haben wir ein neues Projekt gestartet und wir versuchen einen Waldkauz anzusiedeln. Ob es klappt, sehen wir aber leider erst im Frühjahr. Der Waldkauz mag es gerne sehr ruhig und wir sind leider in keiner günstigen Verkehrslage, wegen den umliegenden Straßen und den Bahngleisen, aber ich hoffe das klappt.

Brutkästen für verschiedene Vogelarten auf Bäumen fördern den Vogelschutz 

GLOBAL 2000: Wie viele verschiedene Baumarten stehen im St. Barbara Friedhof?

Stefan Oberklammer: Ich schätze ungefähr 60-70 verschiedene Baumarten und insgesamt ungefähr 1200 Bäume sowie 750 Großsträucher und rund 800 Laufmeter Hecken. Wir merken stark, dass das Wasser immer weniger wird. Durch das händische Graben der Gräber sehen wir, wie tief das Wasser in den Boden reicht. Daher leg ich großen Wert darauf, Pflanzen zu setzten die mit trockeneren Witterungen umgehen können, die an das zukünftige Klima angepasst sind.

GLOBAL 2000: Was sind Ihre Lieblingsbäume?

Stefan Oberklammer: Feldahorn, Himalya-Birke und Rotahorn gefallen mir sehr gut.

GLOBAL 2000: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Stefan Oberklammer: Mir kommt da einiges in den Sinn. Was ich aber unbedingt wieder machen möchte, sind Führungen für Schulen. Wir haben ein paar ausgewählte Bäume, die sehr spannend sind. Die möchte ich gerne beschriften und Schüler:innen durch den Friedhof führen und ihnen die Baumarten so näher bringen.

GLOBAL 2000: Haben Sie bereits andere Personen fürs naturnahe Gärtnern begeistern können?

Stefan Oberklammer: Ich hoffe doch! Wie vorhin schon angesprochen, gibt es auch manchmal Beschwerden. Wenn ich dann die Besucher:innen über unser Konzept aufkläre, hoffe ich, dass sie etwas mit nach Hause nehmen und vielleicht selber an ihrem Natur-Garten arbeiten.

GLOBAL 2000: Haben Sie persönliche Tipps für zukünftige Natur-Gärtner:innen?

Stefan Oberklammer: Probieren, probieren, probieren. Ich probier sehr viel aus und wenn ein Baum zum Beispiel mal nicht geht, dann hab ich es zumindestens probiert und hab einen Erfahrungsschatz mehr. Genau das sollte man sich trauen: etwas Neues probieren und dazulernen.