Nachhaltig den Ton angeben

Portraitfoto von Rober Schwarzwald

Als jemand, der sehr viel Zeit in Proberäumen und auf Bühnen verbringt, hab ich schon oft Überlegungen angestellt, wie man die Musik-Szene nachhaltiger gestalten könnte. Alexander Lausch ist hauptberuflich im Musikbusiness tätig und er ist jemand, dem die Umwelt genau wie mir ein Anliegen ist. Er tut, was er kann, um seinen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Ich will mich mal mit ihm unterhalten, mein Weg zu ihm führt mich in ein Hinterhaus einer Altbauwohnanlage in Hernals, dem 17. Wiener Gemeindebezirk.

Robert Schwarzwald, Kampagnen-Manager bei GLOBAL 2000

Alexander Lausch im Tonstudio

Andreas Jakwerth

Lieber Alexander, wie bist du überhaupt ins Musikbusiness geraten?

Alexander Lausch: Begonnen hat es als Jugendlicher mit klassischem Instrumental-Unterricht. Mein Lehrer war damals die Waldviertler Blues-Legende Dieter Thoma. Dieser erkannte relativ schnell, dass ich mehr Interesse am Recording hatte als am Üben meines Instruments (lacht!). Ich begann, mich für Aufnahmetechnik zu interessieren und nach Abschluss einer Tontechnik-Ausbildung begann ich meine Karriere. Ich arbeitete zunächst als Tontechniker in verschiedenen Klubs und für Bands. 2007 macht ich mich selbstständig. Seither betreibe ich hier im 17. Bezirk ein Tonstudio, bin auch als Produzent tätig und spiele zusätzlich in vier Bands.

„Nachhaltigkeit“ ist leider ein bisserl zum Modewort geworden und läuft Gefahr zur leeren Worthülse zu werden. Aber es ist halt noch immer der beste Ausdruck für alles Tun, das auf das Wohl zukünftiger Generationen gerichtet ist. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich?

Als Einzelunternehmer fängt man zunächst bei sich selbst an. Ein Grundpfeiler für nachhaltiges Leben ist die vegane Ernährung und eine allgemein tierleidfreie Lebensweise. Und dieses Prinzip versuche ich nicht nur bei mir zuhause umzusetzen, sondern eben auch in meinem Studio und soweit es in meiner Macht liegt, auch bei Konzerten. 

Wie sieht das etwas bei dir im Studio aus?

Ich habe mich zunächst ausgiebig mit Green Producing beschäftigt und mich bemüht, alle Aspekte der Selbstverpflichtung zu erfüllen. Mein Studio ist gut gedämmt, meine Geräte beinhalten keine problematischen Bestandteile und sind auf Langlebigkeit ausgerichtet und sie laufen nur, wenn sie müssen.

Alex gibt mir eine kleine Führung. Mein Blick wandert über die Fotowand, auf der sich die verschiedensten Künstler:innen verewigt haben. Eine alte Bandmaschine vis-a-vis vom modernen PC. Und ich fühle diese ganz spezielle Atmosphäre, die ich nur von Tonstudios kenne – Freund:innen der Musik wissen bestimmt, was ich meine.

Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit so grundsätzlich in der Branche?

Es gibt immer mehr Leute, die sich wie ich im Rahmen ihrer Möglichkeiten bemühen, nachhaltig zu agieren. Aber neben alle den individuellen Zugängen ist das größte Problem der Transport. Der ist aber gleichzeitig auch der größte Hebel. Um hier einen Wandel herbeizuführen, braucht es ‒ am besten europaweit ‒ ein stabiles Zugnetz. Außerdem müssen Möglichkeiten geschaffen werden, dass Musiker:innen in diesen Zügen ihr Equipment auch auf legale Weise transportieren können. Und obendrein muss auch den Preisen geschraubt werden. Aktuelle ist es so, dass die niedrigen Flugpreise in Kombination mit der höheren Wahrscheinlichkeit, pünktlich anzukommen, häufig die nachhaltige Alternative aussticht. 

Ich nehme an, dass auch Veranstalter:innen euch lieber das Flugticket zahlen, weil sie dabei günstiger aussteigen?

Ganz genau. Apropos Veranstalter:innen – auch die müssen ihren Beitrag leisten und dafür sorgen, dass die Kundschaft die Möglichkeit bekommt, öffentlich anzureisen. Das alles ist ein politisches Thema und da braucht’s endlich Fortschritte. Wir sind echt viele in der Branche, die gerne auf Züge und lokales Car-Sharing zurückgreifen würden – aber es braucht auch die Infrastruktur dafür.

Ich teile diese Ansicht. Als Musiker habe ich mir in den letzten Jahren schon oft überlegt, wie ich mein Equipment möglichst so zusammenstelle, damit ich öffentlich zur Konzert-Location komme oder dass ich statt zwei Autos nur eines dafür benötige. In der Stadt klappt das noch etwas besser, aber grad wenn man weitere Strecken zurücklegen muss, stößt man auf viele Hindernisse. Das zeigt, dass hier ein systemisches Problem vorliegt, das uns alle gleichermaßen betrifft.

Wie kann man deiner Meinung dafür ein Bewusstsein schaffen?

Musik ist etwas, das Menschen verbindet. Konzerte ‒ egal welche Musikrichtung ‒ ziehen viele Menschen an. Ein Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen, ist wichtig. Man sollte auch das Potenzial der Symbolwirkung nicht unterschätzen. Vor einigen Jahren hat es noch niemanden interessiert, wie die großen Produktionen und Stars um die Welt jetten, jetzt ist Thema aber am Tisch. Tour-Planer:innen überlegen Routen, die möglichst wenig CO2 verbrauchen, es wird vor Ort auf gewisse Umwelt-Standards gesetzt und man bietet den Fans die Möglichkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Aber da geht noch viel mehr. Und es gibt auch noch einen Aspekt, der bisher komplett unter dem Radar läuft: Als Künstler:in darauf zu achten, welche Ticket-Firma man beauftragt. Da gibt’s nämlich auch solche, die aufgrund von Profit-Maximierung z. B. in Rüstungsfirmen investieren.

Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll – eine Floskel der Vergangenheit? Ich bin davon überzeugt: Auch im Show-Business sollte mittlerweile angekommen sein, dass wir uns Maßlosigkeit nicht mehr leisten können. Effizientes Tour- und Equipment Management, Green Events und eine Sorgfaltspflicht bzgl. Partner-Firmen müssen zum Standard werden. Um den eigenen Ansprüchen und jenen des anspruchsvoller werdenden Publikums gerecht zu werden.

Noch eine Frage zu einem lokalen Thema. Was glaubst du braucht es in Wien für eine nachhaltigere Kunst- und Kulturszene?

Auch hier würde ich eher auf die Rahmenbedingungen verweisen. Aber eines ist unabdingbar: Über kurz oder lang brauchen wir eine autofreie Innenstadt. Studien zeigen, dass dann die Menschen mehr raus gehen, die vielen Vorteile erleben und ein nachhaltigeres Mindset übernehmen. An dem kommen wir nicht vorbei.

Nachdenklich mach ich mich auf den Weg zurück ins Büro und denke über die Musikszene von morgen nach und wie diese beitragen kann, die Welt zu einem besseren und nachhaltigeren Ort zu machen.