Treffen mit dem Geschäftsführer von byeagain: Secondhand wie aus erster Hand

Portraitfoto von Rober Schwarzwald

Wenn man Eltern wird, erlebt man nicht nur wundervolle Momente, sondern auch akuten Schlafmangel – ich schreibe diesen Text um halb zwei Uhr nachts – und ein ständiges Auf und Ab der Gefühle. Doch eins wird schnell klar: Babys und Kinder brauchen jede Menge Dinge – meist spezielle und meist nur für kurze Zeit. Kleidung und Spielzeug türmen sich, und bald fragt man sich: Wohin mit dem ganzen Zeug? Ganz zu schweigen vom enormen Ressourcenverbrauch. Hier kommt das südsteirische Unternehmen byeagain ins Spiel, das mir meine Kollegin und Chefredakteurin der GLOBAL NEWS empfohlen hat. Ich verabrede mich für einen Video-Call mit einem der beiden Geschäftsführer von byeagain.

Robert Schwarzwald, Kampagnen-Manager bei GLOBAL 2000

Unsere Leser:innen wissen schon, wie meine erste Frage lautet: Wie fing alles an?

Byeagain Mitarbeiter beim Check eines Kinderwagens

Byeagain

Wolfgang Weingraber: Mein Geschäftspartner Jan Kranner und ich hatten vor drei Jahren die Idee, byeagain zu gründen. Uns war aufgefallen, dass alle Eltern in unserem Umfeld dasselbe Problem hatten: zu viel ungenutztes (Kinder-)Zeug und keine Ahnung, wohin damit. Gleichzeitig zögerten sie, Secondhand-Produkte für ihre Kinder zu kaufen. Der Markt dafür existiert zwar, aber viele haben Bedenken wegen Qualität, Hygiene und so. Das war eine klare Marktlücke. 

Ihr füllt also die Lücke zwischen Secondhand und skeptischen Kund:innen? Wie funktioniert das?

Unser Alleinstellungsmerkmal ist der Refurbishment-Prozess. Beim Refurbishment  – also Wiederaufbereitung – werden gebrauchte Produkte wie etwa Kinderwagen, Babyphones, Fläschchenwärmer oder Gitterbetten geprüft, gereinigt, repariert und in einen neuwertigen Zustand gebracht, sodass sie wieder verkauft werden können. Der große Unterschied zum normalen Secondhand-Verkauf ist, dass beim Refurbishment Fachleute dafür sorgen, dass die Qualität stimmt und das Produkt sicher und funktionstüchtig ist. 

Man bekommt also ein gebrauchtes Produkt, das sich fast wie neu anfühlt?

Exakt, und das günstiger, nachhaltiger und obendrein ressourcenschonender. Angefangen haben wir mit einem Online-Marktplatz. Doch schnell wurde uns klar: Wir beschränken uns nicht auf das klassische C2C-Modell mit uns als Mittler. Wir bieten unseren Prozess auch anderen Firmen an. Firmen, die nicht wissen, wie sie mit Retouren und B-Ware umgehen sollen. Diesen B2B-Bereich wollen wir noch weiter ausbauen.

Was ist beim Refurbishment-Prozess besonders wichtig?

Das Produkt muss grundsätzlich gut sein und der Aufwand nicht zu hoch. Die einzige Schwierigkeit ist: Produkte lassen sich nur vor Ort wirklich gut beurteilen.

Im Gespräch wird deutlich: Für Wolfgang und Jan stehen zwei Dinge im Mittelpunkt – ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen und dabei weder Kund:innen noch Umwelt zu belasten. Und zweitens: ehrlich prüfen, reparieren und reinigen – und die Produkte wieder in den Kreislauf bringen, ohne neue Ressourcen zu verbrauchen. Das Potenzial ist enorm. Auch das Institut für angewandte Kinderforschung bestätigt: Zu viel Spielzeug ist im Umlauf, nachhaltige Lösungen sind dringend nötig.

Nachhaltigkeit ist für euch also nicht nur ein Wort?

Geschäftsführer Byeagain im Lager

Byeagain

Ganz genau! Die Kernfrage war zunächst: Was passiert mit all der kurz genutzten Neuware? Wie alle wissen, landet vieles im Keller, verstaubt oder wird weggeworfen. Doch gleichzeitig wächst auch der Trend zu nachhaltigem Konsum. Diese beiden Pole zu verbinden bedeutet Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit unter einen Hut zu bringen.

Und im Alltag lebt ihr das auch?

Ja, auch bei unserem Büromaterial und unserem Büromöbeln achten wir auf Wiederverwertung. Unsere Lagerhalle ist eine bestehende Immobilie – kein Neubau. Refurbishment zieht sich als roter Faden durch alles.

Meine Frau und ich hatten Glück: 90 % der Kinderkleidung bekamen wir von Freund:innen und Familie geschenkt und wir geben sie danach an neue Eltern weiter. Auch Spielzeug und Bücher kaufen wir meist gebraucht. Doch nicht jede Familie hat so ein großes Netzwerk oder traut sich an gebrauchte Produkte. Hier sind Refurbishment-Firmen wichtig – sie nehmen den Menschen die Angst vor Gebrauchtem.

Was ist eure Vision?

Die derzeit gängige Art, wie Produkte hergestellt, genutzt und entsorgt werden – also die aktuelle Praxis in der Wertschöpfungskette – folgt meist einem linearen Prinzip: produzieren, konsumieren, wegwerfen. Das führt zu unnötigem Ressourcenverbrauch, massenhaft Müll und vermeidbaren Umweltbelastungen. Daher ist es unsere Vision, die Wirtschaft so zu beeinflussen, dass der Umgang mit Ressourcen in Europa zukunftsfähiger gedacht wird. Ressourcen und Produkte, die wir nach Europa holen, sollen auch hier bleiben. Und Refurbishment ist der Schlüssel dazu.

Erst seit ich Vater bin, fallen mir all die Kinderwägen auf, die im Umlauf sind. Und ich hoffe, dass diese in ein paar Jahren nicht mehr irgendwo im Keller landen, sondern in die Hände glücklicher Jung-Eltern gelangen, die sie wirklich brauchen. Dieser Gedanke hilft mir auch, den Schlafmangel durchzustehen.

C2C-Modell (Consumer to Consumer)

Privatpersonen handeln direkt miteinander – also etwa eine Mutter verkauft einen gebrauchten Kinderwagen an eine andere Mutter über eine Plattform wie Willhaben oder Vinted.

B2B-Modell (Business-to-Business)

Ein Unternehmen arbeitet mit anderen Unternehmen zusammen. Wenn etwa ein Online-Shop nicht weiß, wohin mit Retouren oder B-Ware, übernimmt byeagain  die Wiederaufbereitung und Weiterverwertung.