29.03.2010

Biofleisch - klimafreundliche Alternative

GLOBAL 2000 hat mit DI Dr. Thomas Lindenthal über Klimakennzahlen und die CO2-Emission in der Fleisch-Produktion gesprochen. Lindenthal ist Klimaexperte beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL Österreich).

Thomas Lindentahl
GLOBAL 2000

GLOBAL 2000 begrüßt oberösterreichische Initiative für bundesweites Verbot.

GLOBAL 2000: Das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) hat im vergangenen Jahr eine Studie zu den Treibhausgas-Emissionen in der Lebensmittelproduktion durchgeführt. Wie wird die Klimawirkung der Lebensmittel berechnet?

Lindenthal: In der Prozesskette der Herstellung von Lebensmitteln, von der Landwirtschaft und ihren Vorleistungen über die Lebensmittelverarbeitung, die Verpackung, den Transport bis zur Supermarktfiliale oder zum Bioladen, entstehen Treibhausgase. Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und die Stickstoffverbindung Lachgas (N2O) sind die drei wichtigsten Vertreter. Die Treibhausgas-Emissionen werden ermittelt, indem man CO2, Methan und Lachgas entsprechend ihrer Klimawirksamkeit in CO2-Äquivalente umrechnet. Und diese CO2-Äquivalente nennt man vereinfacht Treibhausgas-Emissionen.

GLOBAL 2000: Wo entstehen diese kritischen Treibhausgase in der Landwirtschaft?

Lindenthal: In allen Bereichen der oben genannten Prozesskette wird Energie benötigt, und diese Energie wird vielfach aus fossilen Rohstoffen gewonnen. Das klimawirksame CO2 entsteht bei der Verbrennung fossiler Rohstoffe. Methan entsteht bei der Verdauung von Gras und Heu im Magen der Wiederkäuer. Und Lachgas wird in der intensiven Landwirtschaft bei Sauerstoff-Armut aus Stickstoffdünger freigesetzt, wenn Stickstoff in leicht verfügbarer Form im Boden vorkommt, also wenn es zum Beispiel regnet, oder wenn die Böden sehr nass sind. Lachgas ist somit ein Ergebnis des intensiven Anbaus von Futtermitteln für die Nutztierproduktion.

GLOBAL 2000: Die intensive Rinderhaltung wird oft in den Mittelpunkt der Klimaproblematik gerückt. Wo sind allgemein die kritischen Punkte in der Tierhaltung?

Lindenthal: Um eine Kilokalorie tierischer Nahrungsmittel herzustellen braucht man bis zu zehn Kilokalorien pflanzlicher Energie. Damit man beispielsweise bei der Kuh, beim Schwein oder bei der Ziege ein Kilogramm Fleischzuwachs erzielt, ist viel mehr als ein Kilo Futtermittel nötig. Und dieser Mehrbedarf verursacht höhere CO2-Emissionen. Bei der Herstellung von Weizenbrot entstehen zum Beispiel über die ganze Prozesskette zwischen 0,4 und 0,6 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Brot. Bei einem Kilo Rind- oder Geflügelfleisch bewegt sich die CO2-Bilanz um das zehn, manchmal um das 15-Fache der CO2-Bilanz pflanzlicher Lebensmittel. Das Problem ist also der hohe Fleischkonsum.

GLOBAL 2000: Wodurch kommt diese hohe CO2-Emission zustande?

Lindenthal: Ein riesiges Problem in der Tiermast, vor allem bei Schweinen und Geflügel, ist der Einsatz von Soja. Soja wird in der EU zu mehr als 2/3, in Österreich sogar zu über 90 Prozent aus Südamerika importiert. Dort wird Soja auf Flächen angebaut, wo früher Tropenwald oder Savannenland war. Man nennt diesen Prozess “Umbrechen” oder “Landnutzungsänderung”. Das Zerstören von Tropenwald verursacht den Hauptanteil der CO2-Emissionen.

GLOBAL 2000: Ist es in der biologischen Tierhaltung erlaubt, mit Soja zu füttern, das auf tropischem Regenwald-Gebiet angebaut wurde?

Lindenthal: Die EU-Richtlinie zum Biolandbau schreibt kein Sojaimport-Verbot aus Südamerika vor. Einige Bioverbände und einzelne Handelsmarken verzichten aber darauf. Wenn das eingehalten wird, verbessern sich die CO2-Bilanzen dieser Lebensmittel enorm. Bei Bio-Fleisch hat man so um die Hälfte weniger CO2-Emissionen.

GLOBAL 2000: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Intensität der Rinderhaltung und dem Methanausstoß?

Lindenthal: Das Kuriose ist, dass Wiederkäuer weniger Methan emittieren, wenn sie intensiv mit Getreide gefüttert werden. Das heißt, man gibt Kühen sehr viel Kraftfutter, sodass sie sehr hohe Leistungen bringen. Pro Liter Milch ergibt das viel geringere Methan-Emissionen, als wenn die Kuh nur mit Heu und Gras gefüttert würde. Die konventionellen Agrarforscher nennen das „nachhaltiges Intensivieren“. Das wird immer noch als klimafreundliche Landwirtschaft kolportiert. Dabei wird übersehen, dass die Kuh zum Nahrungskonkurrenten des Menschen wird.

GLOBAL 2000: Was bedeutet das weltwirtschaftlich gesehen?

Lindenthal: China und Indien haben die Tierhaltung in den letzten Jahren zunehmend intensiviert. Ihr Bedarf an Futtermitteln wächst enorm und die Getreidevorräte werden weltweit immer knapper. Dadurch steigen die Getreidepreise für die Entwicklungsländer ums Doppelte. Das hat ethisch gesehen enorme Konsequenzen.

GLOBAL 2000: Und was bedeutet das ökologisch betrachtet?

Lindenthal: Die erhöhte Nachfrage bewirkt, dass Getreide auch auf Flächen angebaut wird, die vorher humusreiches Grünland waren. Humus enthält zu einem sehr hohen Anteil Kohlenstoff. Wenn Grünland auf Acker „umgebrochen“ wird, werden gewaltige CO2-Mengen frei. Diese CO2-Mengen werden oft von den BefürworterInnen der „nachhaltigen Intensivierung“ ausgeklammert. Wenn man die Umgestaltung der Grünflächen zur Getreidebepflanzung für die Futtermittelerzeugung in die CO2-Bilanz hineinrechnen würde, wäre ganz klar, dass die konventionelle intensive Tierhaltung mehr Treibhausgase verursacht als die biologische.

GLOBAL 2000: Kann man ausschließen, dass es bei der biologischen Landwirtschaft zur Umwidmung dieser Grünflächen kommt?

Lindenthal: Das Österreichische Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL), an dem rund 95 Prozent der österreichischen Betriebe teilnehmen, hat ein Verbot von Grünlandumbruch ausgesprochen. Das gilt natürlich auch für die biologische Ladwirtschaft.

GLOBAL 2000: Wird Kraftfutter auch in der biologischen Nutztierhaltung eingesetzt?

Lindenthal: Ja. Um auf ein bestimmtes ökonomisch rentables Leistungsniveau zu kommen, werden auch im Biolandbau geringe Mengen an Kraftfutter eingesetzt, die aber den Tieren nicht schaden. Entscheidend ist, dass hier biologisch angebautes Getreide verwendet wird. Pro Kilo Getreide verringert sich hier die CO2-Emission um 40 bis 60 Prozent.

GLOBAL 2000: Sie haben eingangs erwähnt, dass auch die Verpackung in die CO2-Bilanz eingerechnet wird. Gibt es einen Unterschied in der Verpackung von biologischen und konventionellen Lebensmitteln?

Lindenthal: In der CO2-Bilanz werden gerade Verpackung und Transport stark überschätzt. Es kommt auf die Relation an. Frischgemüse verursacht ungefähr 0,1 bis 0,2 Kilogramm CO2 pro Kilo Gemüse. Beim Fleisch sind es 5 bis 12 Kilo. Beim Gemüse machen daher zum Beispiel 40 Gramm CO2, die durch die Verpackung entstehen, relativ gesehen viel mehr aus als bei der Verpackung von Fleisch. Das Problem ist aber eher, dass man wertvollstes Erdöl dazu verwendet, ein Wegwerfprodukt zu erzeugen. Einige Bioprodukte sind aber bereits in Folien verpackt, die auf Basis von Kartoffelstärke oder anderen pflanzlichen, erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden.

GLOBAL 2000: Steht das dann auch auf der Verpackung?

Lindenthal: Das steht auch auf der Verpackung. Diese Produkte schneiden CO2-mäßig natürlich ein bisschen besser ab.

GLOBAL 2000: Wäre der Konsum heimischer Lebensmittel ein Beitrag zu einer positiven CO2-Bilanz?

Lindethal: Leider nur ein kleiner. Der Transport macht nur 1 bis 5 Prozent der gesamten CO2-Emissionen aus. Viel wichtiger wäre es, auf Soja aus Südamerika als Futtermittel zu verzichten. Da könnte man die CO2-Emissionen bei Schwein und Geflügel sofort um die Hälfte reduzieren. Ein Beispiel: Biofleisch aus Tschechien, das ohne Soja erzeugt wird, verursacht, selbst wenn es importiert wird, um 50 Prozent weniger CO2 als heimisches Fleisch, das konventionell und intensiv hergestellt wurde. "Regional" und "heimisch" sagt noch nichts über die ökologische Qualität der landwirtschaftlichen Produktion aus.

GLOBAL 2000: Können wir KonsumentInnen also davon ausgehen, dass biologisch produziertes Fleisch in der Klimabilanz besser abschneidet als konventionelles Fleisch?

Lindenthal: Biofleisch schneidet in jedem Fall besser ab, auch wenn Bio-Soja aus Brasilien eingesetzt wird. Der Idealfall ist aber, auf Fleisch zurückzugreifen, dessen Herstellung ohne Bio-Soja aus Südamerika auskommt. Die bessere CO2-Bilanz von Biofleisch ist maßgeblich darauf zurückzuführen, dass für die Produktion kein Tropenwald zerstört wird.

(Von Heidemarie Porstner)