Bauxit: Brasilien zerstört Umwelt in Oriximiná

Der Abbau von Bauxit - der Rohstoff für Aluminium - hat katastrophale Folgen für die Umwelt und die lokale Bevölkerung in Brasilien.

Wie so oft, werden die Rohstoffe für westliche Konsumgüter weit weg in fernen Ländern gewonnen. So ist das auch bei Aluminium, das aus Bauxit gewonnen wird. Das Metall wird zur Weiterverarbeitung oder in Form von verarbeiteten Produkten nach Österreich importiert. Die Umweltprobleme, die mit dem Abbau und der Herstellung verbunden sind, verbleiben in den Abbauländern. Die verheerenden Auswirkungen sind für uns nicht direkt sichtbar. Häufig hinterlassen solche Bergbauprojekte eine zerstörte Umwelt, Verschmutzung und Armut. Wir möchten anhand der Bauxitmine in Oriximiná im Amazonasgebiet in Brasilien ein Fallbeispiel vorstellen und einen Einblick geben, welche Auswirkungen der Bauxitabbau für die Aluminiumproduktion in dieser Region hat. 

Die Geschichte von Oriximiná

Hoch oben im Norden Brasiliens liegt Oriximiná im Bundestaat Pára. Umsäumt von Amazonaswäldern und Flüssen haben dort Menschen seit Jahrhunderten im Einklang mit der Natur gelebt. Neben Indigenen ließen sich dort vor etwa 140 Jahren auch entkommene afrikanische Sklaven nieder. Die Afrobrasilianer werden Quilombolas genannt. Sie leben beispielsweise in kleinen Dörfern, wie Boa Vista. Obwohl es zu Konflikten kam, lernten die ehemaligen Sklaven, mit den indigenen Gruppen, den ursprünglichen Bewohner:innen der Region, zu koexistieren, und erwarben von ihnen wichtige Kenntnisse über das Leben im Wald und die Nutzung der natürlichen Reichtümer für ein nachhaltiges Leben.

Als der Bergbaukonzert MRN kam...

Alles begann sich zu verändern, als Mineração Rio do Norte (MRN), ein brasilianischer Bergbaukonzern, sich in den 1970ern im Trombetas-Flussbecken niederließ, um Bauxit in gigantischem Ausmaß abzubauen. Der Konzern setzt sich aus mehreren Beteiligungsgesellschaften zusammen, wobei der größte Shareholder Vale S.A. ist. Eines der drei größten Bergbauunternehmen der Welt und Eisenerz-Minenbetreiber in Brumadinho. (Im Jahr 2019 kam es in Brumadinho zu einem tragischen Dammbruch, bei dem die Schlammlawine mindestens 270 Menschen das Leben nahm und die Gebäude im Dorf sowie die Böden völlig verwüstete.)

40% des gesamten in Brasilien produzierten Bauxits stammen aus Oriximiná. MRN ist der viertgrößte Produzent von Bauxit in der Welt und liefert das wertvolle Aluminiumerz an Nationen und Hersteller auf der ganzen Welt. 

Nach seiner Ankunft im Amazonasgebiet brachte der Konzern sofort Land der traditionellen Flussgemeinde Boa Vista in seinen Besitz und vertrieb Berichten zufolge 90 Familien, um seine Hafenstadt zu bauen. 

Landraub, Wasserverschmutzung, vertriebene Tiere...

Ohne ihr Land konnte die kleine Gemeinde keine Lebensmittel mehr anbauen, und der ganze industrielle Aufruhr vertrieb viele der Tiere, die die Menschen zu jagen pflegten. Die Einwohner:innen verloren auch den Zugang zu den Paranussbäumen, die früher eine nachhaltige Einnahmequelle waren. Der intensive Schiffsverkehr reduzierte die Fischpopulation in den Flüssen und Seen, in denen sie früher gefischt hatten. Zudem wurden die Gewässer schnell durch die Abfälle der Minen verschmutzt.

Während MRN nach eigenen Angaben Arbeitsplätze, Bildungs- und Gesundheitsdienste bereitstellte, berichten die Bewohner der Quilombolas von einer jahrzehntelangen horrenden Wasserverschmutzung durch Minenabfälle - die nie beseitigt wurden -, dem Verlust von Fischerei- und Jagdgebieten, grassierender Armut, dem Mangel an Elektrizität, Gesundheitsdiensten und angemessenen sanitären Einrichtungen.

Ökosysteme leiden

Bauxit wird im Tagebau gewonnen. Daher werden riesige Regenwaldflächen gerodet um die oberflächennahe Gewinnung von Bauxit zu ermöglichen. Der Regenwald muss für Abbauflächen, Abwasserdeponien, sowie Straßen und Infrastruktur für den Betrieb der Mine weichen. 

Roter Schlamm im Batata-See

Auch der nahegelegene Batata-See ist ein Symbol für die Zerstörung des Amazonas-Ökosystems durch groß angelegte Bergbauprojekte. MRN begann dort 1979 mit der Einleitung von Bauxitabfällen, was dazu führte, dass der einst unberührte Fischereisee mit rotem Schlamm bedeckt wurde. Der Schlamm sammelte sich als meterdicke, feste Schicht auf dem Seegrund. Man schätzt, dass über einen Zeitraum von zehn Jahren 24 Millionen Tonnen im Batata-See abgelagert wurden. 

Die MRN hat versucht, den See zu säubern, aber ihre Bemühungen waren nicht sehr erfolgreich. Auch der Nachhaltigkeitsdirektor von MRN, räumt ein, dass der See nie wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehren wird. Zu den im Bauxit enthaltenen Spurenelementen können giftiges Arsen, Beryllium, Kadmium, Chrom, Blei, Mangan, Quecksilber und Nickel gehören. Erst 1989, nach internationaler Verurteilung, baute MRN den ersten Speicherdamm für Bergbauabfälle und stoppte die direkten Einleitungen in den Batata-See.

Zwar erscheint Batata-See heute sauberer, doch die Anwohner klagen über Fischmangel und leiden unter Hautjucken und Allergien, vor allem im Sommer, wenn der Wasserstand sinkt und die roten Schlammablagerungen sichtbar werden. Auch die Tiere leiden darunter – so kommt es vor, dass Schildkröten und Kaimane im Schlamm steckenbleiben und verenden.

Neue Rotschlammrückhaltebecken und Dämme

Um die ökologischen Probleme durch den Bauxitschlamm zu lösen, baute das Unternehmen 26 Absetzbecken, um die giftigen Rückstände der Aluminiumgewinnung zu lagern. Damit hat die Gemeinde Oriximiná, in der sich die Bauxitmine befindet, mehr Dämme auf ihrem Gebiet als jeder andere Bezirk im Bundesstaat Pará. Die größte dieser Abfalldeponien umfasst 110 Hektar. Das gesamte System zur Bewirtschaftung der Bergbauabfälle umfasst 1.700 Hektar und befindet sich in einem nationalen Schutzgebiet.

In Brasilien kam es in den Jahren 2015 und 2019 (Marina und Brumadinho) zu katastrophalen Einstürzen von Bergbaudämmen. Die Menschen, die im Schatten zahlreicher großer Absetzbecken leben, die weniger als 20 Kilometer von ihren Häusern entfernt liegen und alle zu Mineração Rio do Norte (MRN) gehören, machen sich große Sorgen. 

Die brasilianische Bergbaubehörde hat einen der Dämme von MRN als "hohes Risiko" eingestuft. Vierzehn weitere Dämme bergen im Falle eines Versagens ein „soziales, ökologisches, wirtschaftliches und tödliches Risiko". MRN behauptet hingegen, seine Dämme seien sicher.

Aufgrund der niedrigen Höhe der Dämme seien keine unmittelbaren Todesfälle zu befürchten. Allerdings können die schweren und langwierigen Umweltschäden auf lange Sicht enorm negative Auswirkungen auf die Menschen haben und sie dazu zwingen abzuwandern. 

Aluminium für die Welt

Die Hochseeschiffe kommen den Amazonas und den Trombetas hinauf, um das Erz der Mineração Rio do Norte (MRN) abzuholen. Dieses Erz wird dann flussabwärts zu den Verarbeitungsbetrieben in Barcarena in Pará oder an der Atlantikküste in São Luís im Bundesstaat Maranhão transportiert. Ein Teil des Erzes wird auch unverarbeitet ins Ausland verschifft. Das fertige Aluminium ist dann für brasilianische Produktionsstätten oder Fabriken in den USA, Kanada, China, der EU oder anderswo bestimmt. Dort wird das leichte Metall - das für die moderne Welt absolut unverzichtbar ist - zu Bier- und Getränkedosen geformt oder in Computern, Mobiltelefonen, Flugzeugen, Autos und anderen Endprodukten verarbeitet.

Hier wird die große Ungerechtigkeit der internationalen Geopolitik deutlich. Während die Industrieländer mit immensem Reichtum an Bodenschätzen belohnt werden, muss die Bevölkerung in den Abbauländern den Großteil der sozioökologischen Risiken des Bergbaus tragen.

In Oriximiná erinnern sich Einheimische an das einst kristallklare Wasser in den Flusskanälen und Bächen in der Nähe des Dorfes. Jetzt ist das Wasser rötlich gefärbt und trüb und verursacht Hautausschläge, Allergien und Darmbeschwerden.

Fadenscheinige Lösungen für verschmutztes Wasser

"Die Kinder hier sind fast an Krankheit und Durchfall gestorben", erinnert sich ein Einwohner. 
Als Reaktion auf diese und andere Beschwerden über die Verschmutzung baute MRN Brunnen und andere Systeme um die Dörfer mit besserem Wasser zu versorgen. Die Systeme wurden kostenlos installiert, aber die Familien vor Ort, die nur über ein geringes Bareinkommen verfügen, müssen für den Treibstoff bezahlen, mit dem die Systeme betrieben werden.

Die Anwohner sind immer noch nicht davon überzeugt, dass das Wasser wirklich sicher ist. Ein Einwohner erzählt: „Die Mitarbeiter des Bergbauunternehmens bringen Mineralwasser mit, wenn sie uns besuchen, und rühren unser Wasser nicht an - warum nicht?"

Der Bewohner von Boa Nova, Domingos Gomes, berichtete, dass das neue System, das in seinem Haus installiert wurde, lange Zeit problematisch war. Das Wasser, das aus den Leitungen kam, sei rötlich gewesen, und man habe die Sedimente absetzen lassen müssen, um es trinkbar zu machen. "Ich habe sogar gezögert, das Wasser für Pflanzen zu verwenden", sagt er. Gomes glaubt, dass die MRN das Problem aufgrund der negativen Publicity, die durch ein von der Organisation Comissão Pró-Índio de São Paulo veröffentlichtes alarmierendes Foto ausgelöst wurde, gelöst hat.

MRN macht Wasserproben und gibt an, dass das Wasser in den Flüssen und Bächen trotz seiner rötlichen Farbe und Trübung innerhalb der gesetzlichen Qualitätsgrenzen liegt, die von der brasilianischen Gesetzgebung festgelegt wurden. "Das Problem ist, dass die Wasseranalysen von Leuten durchgeführt werden, die von dem Unternehmen bezahlt werden", erklärt José Maranhão. "Wir wollen unabhängige Analysen, die von Leuten durchgeführt werden, die der Gemeinde Bericht erstatten".

Ein anderer Anwohner, Jones da Luz, der vor 45 Jahren in Boa Nova geboren wurde, sagt, er sei ein aufmerksamer Beobachter und sei sich sicher, dass sich die lokale Wasserqualität im Laufe der Jahre verändert habe. Er sagt, dass die Bergbauaktivitäten von MRN während der sommerlichen Trockenzeit zu großen Staubwolken führen, wobei ein feines rötliches Pulver die Vegetation im Wald bedeckt. "Wenn es regnet, nimmt das Wasser alles mit in den Fluss", fügt er hinzu.

Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Zahl und Vielfalt der Fischarten im Bach zurückgegangen ist, meint da Luz. "Früher gab es hier viele Pirarucu (ein großer Amazonasfisch), aber sie sind alle verschwunden".

Traditionelle Lebensweise geht verloren

Außenstehende sind überrascht, wenn sie erfahren, dass alle Bauxitminen und Absetzbecken von MRN in Oriximiná in einem geschützten Gebiet liegen, dem Saracá-Taquera National Forest (FLONA).  Da der FLONA 1989 eingerichtet wurde, nachdem das Unternehmen in das Gebiet gekommen war, erhielt es die Genehmigung, seine Tätigkeit fortzusetzen.

In der Zwischenzeit kämpften die Familien am Fluss darum, dass ihre jahrhundertealten, nachhaltigen Jagd- und Sammeltätigkeiten von den Behörden legalisiert wurden. Ihr Lebensunterhalt wurde schließlich im Jahr 2010 mit der Gründung der Agroextraktivsiedlung Sapucuá-Trombetas anerkannt. Diese Bezeichnung umfasst zwar die unmittelbare Siedlung und ihre Häuser, nicht aber die Wälder, in denen die Menschen jagen und Waldprodukte sammeln.

Die lokale Bevölkerung leidet nicht nur unter der Verschmutzung durch Bauxitstaub, sondern auch am Schlamm, der in großen Fluten kam. Das führte zu einer stark reduzierten Ernährungssicherheit der Menschen und zu mehr Abhängigkeit, da sie sich nun mehr Lebensmittel kaufen mussten, statt diese selbst zu fangen / anzubauen.  

Da die Bergbauaktivitäten regelmäßig ausgeweitet werden, sind die Anwohner immer wieder mit der Situation konfrontiert, dass Wälder oder zB Paranussplantagen weichen müssen. Im Jahr 2002 beispielsweise führte die Eröffnung der Almeidas-Mine zur Zerstörung einer riesigen Paranussplantage, was zu einem Rückgang der Ernte der örtlichen Familien um 70 % führte. Das brachte wiederum wirtschaftliche Schwierigkeiten mit sich , da die Einwohner auf den Verkauf von Paranüssen als wichtige Einnahmequelle angewiesen sind.

Heute, da diese traditionellen Lebensgrundlagen weitgehend zerstört sind, sind etwa 70 % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter direkt oder indirekt bei MRN beschäftigt. Einige wenige arbeiten für das Unternehmen im Management oder in der Mine. Die meisten sind jedoch bei der Genossenschaft Boa Vista angestellt, die einen Vertrag mit MRN hat, um schlecht bezahlte Arbeiten zu erledigen - Fegen, Putzen und Müllsammeln in Porto Trombetas.

Im Jahr 2019 erhielt die 73.000 Einwohner zählende Gemeinde Oriximiná fast 37 Millionen R$ (5,8 Millionen Euro) als finanzielle Entschädigung für die Ausbeutung von Bodenschätzen. Eine Steuer, die Bergbauunternehmen an Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden zahlen. Obwohl Oriximiná diese Zahlungen seit 1992 erhält, leidet es weiterhin unter einem niedrigen Entwicklungsstand. Während das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in Brasilien damals bei 136 US-Dollar lag, verdienten die Menschen in Oriximiná durchschnittlich nur 56 US-Dollar - weniger als die Hälfte des brasilianischen Durchschnitts.

Versprochener Forschritt bleibt aus

Der vielfach versprochenen Fortschritt für die Bevölkerung bleibt bisweilen aus. Die Entwicklung und die Profite sehen die Einheimischen nur vorbeiziehen. Sie gelten für den Bergbaukonzern, nicht die lokale Bevölkerung. Die Vertreter der MRN argumentieren zwar, dass Boa Vista heute vom Bauxitabbau profitiert, da die Industrie Arbeitsplätze schafft, doch die meisten Einwohner sind der Meinung, dass die sozialen und ökologischen Schäden, die über Jahrzehnte hinweg entstanden sind, die Vorteile bei weitem überwiegen.

Mittlerweile sind viele Gemeinden und deren Einwohner aufgrund der verlorenen Lebensgrundlagen von MRN und dessen Arbeitsplätzen abhängig. Nochmal drastischer wird dieses Problem, wenn die Mineralreserven erschöpft sind. Bis dahin haben womöglich viele verlernt, wie man Fische fängt, Lebensmittel anpflanzt und im Einklang mit der Natur lebt. Stattdessen bleibt den Menschen neben dem Verlust des Arbeitsplatzes dann eine zerstörte Natur, verschmutztes Wasser und gesundheitliche Probleme. Vielen bereitet es große Sorgen, das sie ihren Kindern dann ein zerstörtes Ökosystem überlassen. 

Sehen Sie hier zwei Reportagen zum Thema Bauxit in Brasilien von Mongabay:

 

Mining pollution hurts livelihood of Brazilian descendants of slaves in Boa Vista
Dam burst threat looms over community along the Trombetas river