Das Regierungsprogramm 2017-2022 im Umweltcheck

Wie ernst meint die neue Regierung ihr im Vorfeld artikuliertes Vorhaben, sich im Umweltbereich zu beweisen? Das wird sich erst in der konkreten Umsetzung des Umweltprogramms zeigen. Die Vorzeichen dafür stehen nicht allzu gut. Im Regierungsprogramm fehlen wichtige Themen und Konkretes findet sich vor allem bei Angriffen auf den Umweltschutz. Wir haben uns für Sie das neue Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ genauer angesehen und für den Umweltschutz relevante Themen analysiert.

Am 16. Dezember 2017 haben Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache ihr Regierungsprogramm für die Jahre 2017 – 2022 vorgestellt. Die Kapitel Umwelt und Energie finden sich – wohl nicht zufällig – erst ganz am Schluss des 182-Seiten-Dokuments.

Während die Regierung in den Umwelt- und Energiekapiteln viele der zentralen Herausforderungen richtig erkennt, wird in den Seiten davor deutlich, dass Umwelt- und Klimaschutz für die neue Bundesregierung kaum die notwendige Priorität erhalten werden.

Im Umweltteil selbst finden sich bis dato vor allem Überschriften, es fehlen über weite Strecken konkrete Ziele, Maßnahmen oder Angaben über die zur Verfügung stehenden Budgets. Das Umweltkapitel wird also vor allem an der Umsetzung zu bewerten sein. Besorgniserregend ist jedenfalls, dass das Regierungsprogramm immer dort deutlich konkreter wird, wo es um die Einschränkung von Umweltschutz gehen kann.

Deutlich erkennbar sind zum Beispiel geplante Angriffe auf das wichtige Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung. Das passt damit zusammen, dass das Regierungsprogramm quasi durchgängig Wirtschaftsinteressen vor Umweltschutz stellt. Das ist ein grobes Missverständnis – denn auch nachhaltig erfolgreiches Wirtschaften ist davon abhängig, dass unsere Lebensgrundlagen nicht zerstört und die Ressourcen nicht erschöpft werden. Doch an Stelle eines klaren Bekenntnisses zu nachhaltiger Mobilität und zum Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln wurden im Regierungprogramm beispielsweise Straßenbau und der klimapolitische Irrweg des Flughafenausbaus als vorrangige Projekte definiert.

Auch der KonsumentInnenschutz bekommt kaum Platz im Programm der nächsten fünf Jahre, wichtige kritische Akteure wie der VKIexternal link, opens in a new tab sollen in ihrer Unabhängigkeit beschnitten werden. Problematisch ist auch, dass vordringliche Themen wie die Ökologisierung der Landwirtschaft oder die Chemikalienpolitik im Regierungsprogramm komplett fehlen.

Das für Ministerin Elisabeth Köstinger vorgesehene Ministerium ist künftig zuständig für die Bereiche Landwirtschaft, Umwelt, Energie und Tourismus. Energie und Umweltagenden zu bündeln, bietet im Sinne des Klimaschutzes mehr Möglichkeiten für eine entschlossene, naturverträgliche Energiewende als in der Vergangenheit. Schon in den letzten Jahren hat der Umweltschutz in dieser Ministeriumskonstellation aber zu oft gegen die Interessen der fossilen Industrie oder der konventionellen Landwirtschaft verloren.GLOBAL 2000 wird die Arbeit der Regierung im Umwelt- und Klimaschutz kritisch beobachten und mit voller Energie dafür arbeiten, dass den Worten rasch Taten folgen. Es ist erkennbar, dass die Regierung viele der Herausforderungen zu benennen weiß, entscheidend ist aber, dass sie die Probleme auch wirklich angeht und löst. Daran werden wir die Bundesregierung messen.  

Neben notwendigen und längst überfälligen Projekten wie der Erarbeitung einer Klima- und Energiestrategie zum Ausstieg aus fossiler Energie, werden wichtige Themen wie eine Ökologisierung des Steuersystems völlig ausgeblendet. Für kontraproduktive und nicht notwendige Projekte wie die Dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat gibt es hingegen Bekenntnisse. Da FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache im Wahlkampf den menschlichen Anteil am Klimawandel mehrfach in Frage gestellt hat und die FPÖ im österreichischen Nationalrat gegen die Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris gestimmt hat, war die Befürchtung groß, dass Klimaschutz gänzlich unter die Räder kommen wird. Demgegenüber befinden sich im Regierungsprogramm nun mehrfach Bekenntnisse, den "Klimaschutz konsequent voranzutreiben", ein Bekenntnis zu internationalen Verträgen wie dem Pariser Klimaschutzabkommen und zum schrittweisen Ausstieg aus fossiler Energie. Diese Bekenntnisse, sind in anderen Regierungskonstellationen wohl selbstverständlich, zeigen aber, dass das Thema weltweit zu wichtig geworden ist, als dass sich eine Regierung dem gänzlich entziehen kann. Bei vielen Überschriften und stichworthaften Ankündigungen wird erst die Umsetzung zeigen, wie ernst das Thema wirklich genommen wird.

In welche Klima-Zukunft gehen wir?

GLOBAL 2000 / Christopher Glanzl

Klimaziele und Klima- und Energiestrategie

Das Regierungsprogramm sieht die Erarbeitung einer Klima- und Energiestrategie vor. Es wird dabei vom Plan gesprochen, "bis 2050 eine vollständige Dekarbonisierung" (=Ausstieg aus fossiler Energie) zu erreichen, das entspricht einer langjährigen Forderung von GLOBAL 2000 und kann direkt aus den Pariser Klimschutzbeschlüssen abgeleitet werden. Der Teufel liegt aber im Detail. Denn bis jetzt ist im Regierungsprogramm bis 2030 lediglich vorgesehen, die schwachen EU-Vorgaben zu erfüllen, die eine Senkung der Treibhausgase um 36 % gegenüber 2005 bedeuten. Zusätzlich sollen noch Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz entwickelt werden. Diese sind letztlich entscheidend. Die Klima- und Energiestrategie wird daran gemessen werden, ob damit bis 2030 ausreichend ehrgeizige Wegmarken erreicht werden können, die einen langfristig völligen Ausstieg aus fossiler Energie ermöglichen. Eine ernstgemeinte Klimapolitik muss deshalb sicherstellen, dass bis 2030 unser Energieverbrauch um 30 % gegenüber 2005 gesenkt und der Anteil erneuerbarer Energien auf mindestens 60 % gesteigert wird, sonst rückt dieses Ziel in weite Ferne.

100 % erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 und Kohleausstieg

Im Strombereich setzt sich die Regierung das Ziel, bis 2030 zu 100 % auf Ökostrom (national, bilanziell) zu setzen. Die Bestätigung dieses Ziels ist zu begrüßen, es wurde bereits vom damaligen Bundeskanzler Werner Faymann bei der Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 als offizieller Beitrag von Österreich präsentiert. Bis heute fehlen aber substantielle Schritte zur Umsetzung. Es braucht eine Reform des Ökostromgesetzes schon nächstes Jahr, das einen stabilen Rahmen für den Ausbau naturverträglicher erneuerbarer Energien bietet, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Vor allem beim Ausbau von Solar- und Windenergie bestehen noch große Potenziale. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energie braucht es aber auch einen geplanten Ausstieg aus fossiler Energie in der Stromerzeugung. Das Regierungsprogramm sieht vor, den "Ausstieg aus Kohleverstromung in Österreich zu beschleunigen". In Österreich stehen noch zwei Kohlekraftwerke, in Dürnrohr (NÖ, Betreiber EVN) und in Mellach (Stmk., Betreiber Verbund). Das Kohlekraftwerk in Mellach soll 2018 stillgelegt werden, das Kohlekraftwerk in Dürnrohr im Jahr 2025. Ein beschleunigter Ausstieg wird daran gemessen werden, ob sichergestellt wird, dass Österreich spätestens 2020 frei von Kohle in der Stromerzeugung sein wird.

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Mit einer schrittweisen Erhöhung der Steuern auf fossile Energie und aufkommensneutrale Senkung der Steuern auf Arbeit oder Rückvergütung über Direkttransfers können sowohl CO2-Emissionen gesenkt, als auch positive Beschäftigungsimpulse gesetzt werden. Im Regierungsprogramm findet sich aber der Passus "kontraproduktive Anreize und Förderungen im Energie- und Umweltbereich zu eliminieren". Laut WIFO werden derzeit zwischen 3,8 und 4,7 Milliarden Euro an umweltkontraproduktiven Subventionen pro Jahr gewährt. Die Steuerbegünstigungen auf Diesel und Kerosin sind zwei der wichtigsten umweltschädlichen Steuererleichterungen. Ohne sinnvolle Reformen in diesen Bereichen, wird es sehr schwierig werden, unsere Klimaziele zu erreichen. Die Regierung wird also daran gemessen werden, ob sie sich den wirklich großen Stellschrauben in diesem Bereich auch stellt.

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Detaillierte Analyse der umweltschutzrelevanten Themen im Regierungsprogramm:

Umweltrechte

Auf EU-Ebene haben Umweltschutzorganisationen viel Erfahrung damit, dass unter dem Deckmantel von „Verfahrensbeschleunigung“, „Effizienz“ oder „Entbürokratisierung“ vor allem der Umwelt- und KonsumentInnenschutz ausgehöhlt werden. Auch in Österreich ist das offenbar geplant, finden sich diese Schlagworte doch in fast allen Kapiteln des Regierungsprogramms, von Justiz, schlanker Staat, Standort, Infrastruktur bis hin zum Umweltkapitel. Sogar eine “Wirtschaftsgerichtsbarkeit mit dem Primat der Beschleunigung“ ist angedacht.

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Besondere Sorge bereitet aus Umweltschutzsicht die offenbar angestrebte Schwächung der UVP-Verfahren, die sich auch im Umweltkapitel des Regierungsprogramms wieder findet. Verfahrensrechte insgesamt stehen unter Druck über unterschiedliche Vorhaben der Verfahrenskonzentration auch abseits der UVP. UVP-Verfahren dienen dazu, für die größten und potentiell umweltschädlichsten Infrastruktur-Projekte in Österreich adäquaten Umweltschutz sicherzustellen. In einer UVP werden die Umweltauswirkungen eines Vorhabens umfassend ermittelt und bewertet damit sie anschließend bei der Entscheidung im Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden können. Die Statistik zeigt, dass die Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich durchschnittlich nur sieben bis 12 Monate dauern – ein äußerst kurzer Zeitraum für die jährlich 25 größten Infrastrukturprojekte im Land. Auch gehen nur 4 % der Verfahren negativ aus. Das UVP-Verfahren arbeitet also in Wahrheit hochgradig effizient. Wegen einzelner Verfahren, die länger dauern, einen bewährten Verfahrensstandard abzubauen, und Umweltschutz und die Beteiligungsrechte von BürgerInnen zu gefährden, ist der falsche Weg. Unter anderem plant die Regierung dazu einen so genannten „Standortanwalt“ zu installieren, der im UVP-Verfahren in Zukunft Umweltschutz kleinreden dürfen soll.

Es gibt durchaus einige Potentiale, die man heben kann, ohne den Umweltschutz oder die Rechte der Öffentlichkeit in UVP-Verfahren anzutasten. So sind die UVP-Behörden nicht mit genügend Personal und Sachverständigen ausgestattet. Auch dadurch ergeben sich immer wieder Engpässe, die zu Verzögerungen führen.

Positiv ist, dass die Regierung die europarechtlich längstens gebotene Umsetzung der Aarhus-Konvention angehen will. BürgerInnen und auch NGOs sollen durch die Aarhus-Konvention Rechte erhalten, um sich für Umweltinteressen einsetzen zu können - zum Beispiel durch Parteistellung in Verfahren oder Zugang zu Gericht in Umweltsachen. Welche Art von „Lösung“ die Bundesregierung für die Sicherstellung der Beteiligungsrechte anstrebt, lässt sie aber offen.

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Klimaschutz & Energie

Das Regierungsprogramm der ÖVP-FPÖ Bundesregierung ist im Bereich Klimaschutz, Mobilität und Energie zu wenig ambitioniert und bleibt in vielen Fragen vage und stichworthaft.

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Mobilität

Im Regierungsprogramm ist enthalten, dass nachhaltige klimaverträgliche Mobilität gefördert und sozial verträgliche Maßnahmenpakete für saubere Mobilität entwickelt werden sollen.

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Anreize für emissionsfreie Antriebe und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs sind dabei wichtige Punkte. Man bleibt aber sehr vage, was die Maßnahmen angeht, wichtige Ziele werden nicht genannt. Dabei hat erst im Herbst 2017 der damalige Verkehrsminister Jörg Leichtfried das Ziel ausgegeben, bei PKW-Neuzulassungen bis 2030 nur noch auf emissionsreie Antriebe setzen zu wollen. Dieses Ziel ist im Regierungsprogramm nicht enthalten. Im Verkehrsbereich ist zudem ein Bekenntnis zur Dritten Piste und zur Drehkreuzfunktion des Flughafens Wien-Schwechat abgegeben worden. Das ist besonders bedenklich, weil das Projekt im Falle eines Baus zu hohen CO2-Emissionen führen würde.

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Atomkraft

Die neue Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm das klare Anti-Atom-Bekenntnis Österreichs konkret ausformuliert und gut verankert. Begrüßenswert ist, dass auch diese Bundesregierung dazu steht, rechtliche Instrumente, wie Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof, als wirksames Instrument gegen die illegale Subventionierung von Atomenergie in der EU einzusetzen.

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Gerade in diesem Bereich müssen die Regierungsverantwortlichen allerdings rasch ins Handeln kommen: der Verfassungsdienst braucht umgehend den Auftrag für eine europarechtliche Klage gegen Subventionen für das AKW Paks II in unserem Nachbarland Ungarn. Diese Maßnahme hatte der ehemalige Bundeskanzler Kern bereits angkündigt, die Frist für die Klagseinreichung läuft jedoch bereits Mitte Februar 2018 aus. An diesem konkreten Projekt der ersten 100 Tage wird die Regierung im Einsatz gegen die Atomenergie sicher gemessen werden. Im Regierungsprogramm wird richtig erkannt, dass Atomkraft keine Klimaschutzmaßnahme ist, und konsequenterweise der Kampf gegen Atom-Subventionen aus Klimaförderungsmechanismen wie dem Green Climate Fund, angekündigt. Es ist jedoch von höchster Priorität, dass auch Österreich den Green Climate Fund finanziell besser ausstattet, damit Österreich den Sitz im Aufsichtsrat nicht verliert und den Einfluss auf dort zu fällende Entscheidungen im Sinne einer konsequenten Anti-Atom Politik behält. Zur Dotierung des Green Climate Fund finden sich keine Aussagen im Regierungsprogramm. Im vorliegenden Regierungsprogramm wurde außerdem die Chance auf die Reform des EURATOM-Vertrags im Rahmen des BREXIT, bei dem das Vereinigte Königreich auch aus EURATOM austritt (BREXATOM) erkannt. Jetzt muss Österreich auf europäischer Ebene rasch Allianzen für diese Reform bilden. Die von der Regierung angestrebte finanzielle Besserstellung von Staaten ohne Atomenergie wird dabei kaum machbar sein, realistischer und zielführender scheint eine Überführung des EURATOM-Vertrags in Primärrecht der EU unter dem Lissabon-Vertrag. Diese Option wird im Regierungsvertrag noch nicht genannt.

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Einfluss von Großkonzernen: CETA & TTIP

Im Regierungsprogramm findet sich eine äußerst einseitige Darstellung von Handelsabkommen, die die Risken und negativen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte vollkommen ausblendet, damit scheint klar, dass diese Bundesregierung beim Thema Freihandel keine Fortschritte aus Umweltsicht anstrebt.

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Seit die Handelsabkommen TTIP und CETA Thema wurden, hat sich die FPÖ für eine Volksabstimmung eingesetzt und sich generell gegen derartige Abkommen ausgesprochen. Im Wirtschaftsprogramm zur Nationalratswahl hat die FPÖ zu TTIP und CETA zumindest noch den aktuellen Investorenschutz (Sonderrechte für Großkonzerne) kritisiert, und eine Volksabstimmung gefordert. Im Regierungsprogramm ist von beiden Forderungen nichts geblieben: der Handelspakt CETA soll sang- und klanglos ratifiziert und umgesetzt werden - inklusive der Sonderklagerechte für Konzerne. Damit begräbt die FPÖ eine ihrer zentralen Forderungen aus dem Wahlkampf endgültig.

Im Kapitel „Wirtschaftsstandort und Entbürokratisierung“ findet sich im Gegenteil ein Bekenntnis zum weiteren Ausbau von Handelsabkommen, diese sollen „fair, qualitativ gut gemacht und transparent verhandelt“ sein. Was die Bundesregierung darunter verstehen will, bleibt unbeantwortet, selbst eine Position zu Konzernklagerechten bleibt ausgespart. Einzig im Kapitel „Landwirtschaft“ finden sich Formulierungen hinsichtlich des „Einsatzes für unsere hohen europäischen Standards“ und das Vorsorgeprinzip bei neuen Abkommen der EU. Hier fehlen aber verbindliche Aussagen zu Bedingungen, die die Bundesregierung im Rahmen der EU für die Zustimmung zu weiteren Abkommen stellen wird.

Im Lichte der insgesamt äußerst einseitigen Darstellung von Handelsabkommen im Regierungsprogramm, die die Risken und negativen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte vollkommen ausblendet, scheint damit klar, dass diese Bundesregierung beim Thema Freihandel keine Fortschritte aus Umweltsicht anstrebt. Die Forderungen von mehr als 560.000 Menschen, die im Jänner 2017 mit einem Volksbegehren einen Kurswechsel in der EU-Handelspolitik gefordert haben, erteilt sie damit eine schallende Absage. Das ÖVP-FPÖ Regierungprogramm steht damit im diametralen Gegensatz zu der Position, welche die FPÖ als Oppositionspartei vertreten hat.

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Landwirtschaft

Eine der größeren Themenverfehlungen aus Umweltsicht findet sich im Kapitel Landwirtschaft. Zur absolut zentralen Zukunftsherausforderung - die Ökologisierung der Landwirtschaft - findet sich nichts im Regierungsprogramm. Besonders dramatisch scheint die Ignoranz gegenüber der wertvollen Arbeit der BiolandwirtInnen für die Qualität unserer Lebensmittel und den guten Zustand unserer Umwelt.

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Pestizidreduktion & Chemikalienpolitik

Eine generelle, über den Pestizidwirkstoff Glyphosat hinaus reichende Positionierung der Bundesregierung zum Umgang mit Pestiziden in der Landwirtschaft und anderen Anwendungsbereichen oder zu einer Reform des Zulassungsverfahrens für Pestizide oder zu verbindlichen Reduktionszielen für den Pestizideinsatz (beides Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative Stopp Glyphosat) fehlen zur Gänze.

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Insgesamt kann der Bereich Pestizidreduktion und Chemikalienpolitik im Regierungsprogramm derzeit nur mit nicht genügend bewertet werden – zentrale Problematiken werden entweder gar nicht angesprochen oder nur sehr ungenügend.

Zum Thema Glyphosat fällt die Regierung hinter die Ankündigungen der jeweiligen Reigerungspartner zurück. Die FPÖ hatte vor der Nationalratswahl mehrfach ein sofortiges Verbot von Glyphosat gefordert und dies mit den „enormen gesundheitlichen Risiken für die Verbraucher“ argumentiert. Auch ÖVP-Obmann Sebastian Kurz hatte noch kürzlich gegenüber Medien von einem „zu hohen Risiko für Gesundheit und Umwelt“ gesprochen und ein „schrittweises österreichisches Verbot“ von Glyphosat angekündigt.

Überraschend ist daher, dass im Regierungsprogramm das klare Bekenntnis zu einem Verbot von Glyphosat fehlt, und stattdessen eine vage Formulierung gewählt wurde, in der nur mehr von „Machbarkeitsstudien“ und „Ausstiegsplänen“ die Rede ist. Das von der FPÖ zuvor vehement eingeforderte sofortige Verbot (zur Erklärung: die FPÖ hatte einer Resolution des EU-Parlaments für ein verbindliches schrittweises Verbot mit dieser Begründung die Zustimmung verweigert) ist im Regierungsprogramm nicht einmal ansatzweise zu erkennen.

Eine generelle, über den Pestizidwirkstoff Glyphosat hinaus reichende Positionierung der Bundesregierung zum Umgang mit Pestiziden in der Landwirtschaft und anderen Anwendungsbereichen, oder zu einer Reform des Zulassungsverfahrens für Pestizide, oder zu verbindlichen Reduktionszielen für den Pestizideinsatz (beides Forderungen der Europäischen Bürgerinitiative Stopp Glyphosat) fehlen zur Gänze.

Auch beim Thema Bienenschutz und Umgang mit bienengiftigen Neonicotinoiden bleibt alles offen. Obwohl in Europa schon Anfang 2018 die finale Entscheidung über EU-weite Verbote für bienengiftige Pestizide aus der Gruppe der Neonocotinoide ansteht, und obwohl der Einfluss bienengiftiger Neoinicotinoide seit 2008 Gegenstand von Forschungsprojekten (MELISSA 2009-2012, Projekt Zukunft Biene seit 2014) unter Beteiligung der dem Landwirtschaftsministerium unterstellten AGES ist, fehlt im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm jegliche Positionierung zur Frage des Bienenschutzes und der Neonicotinoide. Stattdessen werden unter Verweis auf eine noch nicht existierende „Biodiversitäts-Strategie 2030+“ vage „Maßnahmen zur Erhaltung der Insektenvielfalt“ in Aussicht gestellt.

Nicht besser ist es um die Positionierung zur Chemikalienpolitik insgesamt bestellt. Obwohl in der europäischen Chemikalienpolitik mit der Regulierung von hormonschädigenden Chemikalien, insbesondere in Pestiziden, Bioziden und Körperpflegeprodukten, für die kommende Legislaturperiode Entscheidungen auf der Agenda stehen, die für den Schutz von KonsumentInnen und Umwelt große Relevanz haben, finden diese Themen im Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung keine Erwähnung.

In Summe: ungenügend, mit großem Nachbesserungsbedarf für die zuständigen MinisterInnen.

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Ressourcenverbrauch & Wegwerfgesellschaft

Das Regierungsprogramm der nächsten Bundesregierung bleibt im Bereich Ressourcenverbrauch und Wegwerfgesellschaft großteils vage.

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Unter der Überschrift „Nationale und internationale Maßnahmen zur Schaffung einer Kreislaufwirtschaft“ sammeln sich (auf einer halben Seite des insgesamt 180- seitigen Regierungsprogramm) sechs Punkte – die zur Vision der Bundesregierung „Null Abfall“ beitragen sollen. Was genau „Null Abfall“ bedeutet und ein genauer Plan wie man dort hinkommen will bleibt das Programm allerdings schuldig. Ankündigungen im Regierungsprogramm wie etwa: „Gesetzliche Rahmenbedingungen zur Förderung des innovativen Ressourcenmanagements“ oder „Entwicklung eines strategischen Maßnahmenplans für Umwelttechnologien sowie für die Kreislauf- und Recyclingwirtschaft“ lassen großen Interpretationsspielraum zu. Andere Maßnahmen wiederum wie etwa „Kooperation mit Handel, Gastronomie und Herstellern zur Reduktion von Einweggebinden“ sind kleinteilige Maßnahmen die für sich alleine stehend der Dringlichkeit des Problems nicht gerecht werden können. Es wird sich daher erst bei der genaueren Ausarbeitung der Maßnahmen sowie bei deren Umsetzung zeigen, wie ernst das Thema wirklich genommen wird.

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Raumwärme & Gebäude

Dass es laut aktuellem Regierungsprogramm weiter Förderungen für thermische Sanierung geben und ein vollständiger Umstieg der mehr als 600.000 Ölheizungen auf erneuerbare Energien gelingen soll, ist vernünftig. Man bleibt jedoch völlig vage, was für Maßnahmen und Anreize gesetzt werden sollen.

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Die Regierung wird unter anderem daran gemessen werden, wie stark sie das bestehende Instrument "Sanierungsscheck" weiterentwickelt, das in den letzten Jahren stark gekürzt wurde. Statt weiterer Kürzungen soll der Sanierungsscheck auf 300 Mio. Euro ausgebaut werden und ein echter Hebel für die thermische Sanierung und die Umrüstung von Ölheizungen werden.

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Verbauung & Bodenverbrauch

Das Problem des in Österreich überproportional hohen Boden- und Flächenverbrauchs findet im Regierungsprogramm Beachtung. Da sowohl fruchtbarer "Boden" als auch Standort-"Fläche" begrenzt und eine unersetzliche natürliche Ressource sind, wird es von entscheidender Bedeutung sein, dass zielführende Maßnahmen zur Problemlösung umgesetzt werden.

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Die Thematik findet sich in den drei Kapiteln „Verkehr und Infrastruktur“, „Landwirtschaft und ländlicher Raum“ sowie „Umwelt“ des Regierungsprogramms wieder. Allerdings bleiben die Punkte in allen Kapiteln ohne konkrete Maßnahmen und Inhalte. Per se ist es zu begrüßen, dass sich nun auch der Bund als solcher der Thematik widmen will. "Flächenverbrauch verantwortungsvoll steuern" zu wollen ist jedoch inhaltlich wenig greifbar und die tatsächlichen Ambitionen nicht einschätzbar. Die im Programm erwähnte Reorganisation der Österreichischen Raumordnungskonferenz ist potentiell wünschenswert – ohne konkrete Maßnahmen ist aber nicht beurteilbar, ob sich die Reorganisation aus Umweltsicht als zielführend erweisen wird.

Dass sich die Regierung über eine mutige Neuordnung der Kompetenzverteilung in der Raumordung traut, darf aufgrund der Aussagen bei der Präsentation des Umweltprogramms der Regierungsparteien am 1.12.2017 jedoch bezweifelt werden. Die Kompetenzen zur Raumordnung sind bisher auf Gemeinde- und Landes-Ebene aufgesplittet, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen aus Umweltsicht.

Im Kapitel Umwelt wird das Thema des Bodenverbrauchs gar nur in einer Überschrift angesprochen "Umsetzung eines nachhaltigen österreichischen Raumordnungskonzeptes" Gemessen werden wird die Bundesregierung an den Maßnahmen, die sich hinter den Überschriften verbergen und deren konkreter Umsetzung.

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Ökologisierung des Steuersystems

Eine umfassende Ökologisierung des Steuersytems kommt im Regierungsprogramm nicht vor, dabei wäre genau das eine wichtige Maßnahme zur Unterstützung der Energiewende in Österreich.

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Eine Förderung des biologischen Landbaus wird in keinster Weise erwähnt - weder Zielwerte zu einem Ausbau, noch direkte Maßnahmen. Lediglich ein Bekenntnis, dass konventioneller und biologischer Landbau ko-existieren können sollen, wurde festgehalten. Österreich weist derzeit flächenbezogen gemeinsam mit Liechtenstein den europaweit höchsten Anteil an ökologischer Landwirtschaft auf. Mit diesem Regierungsprogramm droht Österreich diese Vorreiter-Rolle zu verlieren.

Auch werden keine Ökologisierungs-Ziele für den konventionellen Landbau erwähnt - das reicht von möglichen Themenfeldern wie Pestiziden (allgemein oder spezifischen Gruppen) zu Praktiken, die Erosion verringern und Bodenstruktur fördern könnten. Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers vor landwirtschaftlichen Emissionen, die schon heute eine erhebliche Belastung darstellen (Nitrat, Pestizide) fehlen ebenfalls.

In einer Überschrift wird die Erneuerung der Biodiversitätsstrategie angesprochen. Mit welchen Zielen, mit welchen Maßnahmen bleibt unklar. Die fundamentale Bedeutung der Landwirtschaft für den Erhalt bzw. die Wiederherstellung von natürlicher Vielfalt unserer Kulturlandschaften findet im Regierungsprogramm keine Entsprechung. Auch scheint die weitere Ökologisierung der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU-Ebene – eines der großen legislativen Projekte der nächsten Jahre – kein Anliegen der Bundesregierung zu sein.

Positiv hervorheben kann man das klare und starke Bekenntnis gegen Gentechnik im Landwirtschafts- und Ernährungssektor mit Willenskundgebung zu Engagement auf europäischer Ebene. (Leider bleiben im Regierungsprogramm die neuen Züchtungstechniken wie CRISPR-Cas in diesem Zusammenhang unerwähnt.) Auch die geplante Ausweitung der Kennzeichnungspflichten zB. im Gastro-Bereich (Stichwort Fleisch-Herkunft) ist positiv zu betrachten, ebenso der Wille zu vereinfachten Regelungen für KleinerzeugerInnen auf mehreren Ebenen und zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken im Handelssystem. Das sind Maßnahmen, von denen potentiell gerade kleinere landwirtschaftliche Betriebe profitieren könnten, wie Berg-, Klein- und BiobäuerInnen. Mit diesen Maßnahmen könnten durchaus ökonomische Freiräume für ökologischere Bewirtschaftungspraktiken geschaffen werden. Wille vorausgesetzt. Doch dass dieser Wille in der zukünftigen Landwirtschaftspolitik Ausdruck finden wird, muss angesichts des vorliegenden Regierungsprogramms bezweifelt werden.

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