Die Klimakrise wirkt sich auch in Österreich immer stärker aus und der Ruf nach einem umfassenden Umdenken in der Energieversorgung wird lauter. Somit rückt das Konzept einer naturverträglichen Energiewende zunehmend in den Mittelpunkt. Aber was bedeutet naturverträgliche Energiewende und wie kann diese umgesetzt werden?

Die Dringlichkeit des Umstiegs von fossilen auf erneuerbare Energien steht außer Frage. Doch während wir unsere Energiequellen umbauen, müssen wir auch die Auswirkungen auf die Umwelt, auf Ökosysteme und Artenvielfalt im Blick behalten. Denn neben der Klimakrise haben wir auch mit einem immer stärker werdenden Artenverlust und der Biodiversitätskrise zu kämpfen. Eine naturverträgliche Energiewende strebt nicht nur die Reduzierung von Treibhausgasemissionen an. Sie setzt sich außerdem für den Schutz und die Regeneration unserer natürlichen Lebensräume ein.

Die wesentlichen Bausteine der natürlichen Energiewende:

1. Energiesparen und Energieeffizienz

Um den Bedarf an neuen Energiequellen zu verringern, ist es entscheidend, Energie effizienter zu nutzen und den Energieverbrauch zu reduzieren. Dies kann durch die Förderung energieeffizienter Technologien, verpflichtende Einsparung durch Energielieferanten, die Isolierung von Gebäuden, den Einsatz energiesparender Geräte, Bewusstseinsbildung und weitere Maßnahmen erreicht werden.

2. Ausbau erneuerbarer Energien

Der verstärkte Ausbau von erneuerbarer Energie wie Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie ist ein zentraler Bestandteil einer naturverträglichen Energiewende. Diese Quellen ersetzen fossile Brennstoffe und reduzieren dadurch die Emissionen von Treibhausgasen und Umweltzerstörung durch Öl-, Gas- und Kohlefelder.

3. Flexibilität und Netzstabilität

Allerdings bringt dies auch neue Herausforderungen mit sich, insbesondere im Bereich der Netzstabilität. Die Einspeisung von Wind- und Solarenergie hängt von den jeweiligen Wetterbedingungen ab, was sie schwer vorhersehbar und unregelmäßig macht. Um diesen Schwankungen effektiv zu begegnen, wird eine erhöhte Flexibilität der Stromnetze benötigt. Das bedeutet, dass Speicherkapazitäten ausgebaut, intelligente Steuerungssysteme implementiert und Technologien wie Power-to-Xexternal link, opens in a new tab (wie etwa erneuerbaren Strom per Elektrolyse zu Wasserstoff umwandeln) verstärkt genutzt werden müssen.

4. Naturschutz und Biodiversität

Bei der Planung und Umsetzung von Energieprojekten müssen die Auswirkungen auf die Natur und die biologische Vielfalt berücksichtigt werden. Es ist wichtig, Lebensraumzerstörung zu vermeiden, Maßnahmen zum Schutz bedrohter Arten und Ökosysteme zu integrieren und geschädigter Lebensräume wiederherzustellen.

5. Partizipation und Akzeptanz

Eine naturverträgliche Energiewende erfordert die Beteiligung und Unterstützung der Bevölkerung, lokaler Gemeinschaften und Interessengruppen. Die Einbeziehung von Stakeholdern in Planungsprozesse, transparente Kommunikation und die Berücksichtigung lokaler Bedürfnisse und Anliegen sind daher von großer Bedeutung. Hier kann eine vorab durchgeführte Strategische Umweltprüfungexternal link, opens in a new tab (SUP) sehr sinnvoll sein. 

6. Dezentrale Energieerzeugung

Die Förderung von dezentralen Energieerzeugungsanlagen trägt zur Diversifizierung der Energieversorgung bei und verringert die Umweltauswirkungen sowie den Bedarf an großen Infrastrukturen. Beispiele hierfür sind Solaranlagen auf Hausdächern oder Kleinwindkraftanlagen. 

Es gibt unterschiedliche Formen der erneuerbaren Energiequellen:

  • Solarenergie
  • Windenergie
  • Wasserenergie
  • Biomasse
  • Geothermie
  • Meeresenergie

Die Notwendigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energien ist unumstritten. Bei jeder dieser Energieformen gibt es Diskussionen rund um die Naturverträglichkeit. In Österreich sind vor allem Wasserkraft, Pumpspeicherkraftwerke und Windkraft oft umstrittene Themen. Auch Freiflächen-PV führt an so manchem Stammtisch zu Diskussionen. Doch eines ist klar: Wir brauchen alle diese Energieträger!

Was ist beim Ausbau von Erneuerbaren Energien zu beachten?

Wasserkraft:

Die Wasserkraft spielt eine wichtige Rolle in der österreichischen erneuerbaren Energieproduktion und trägt zu einem hohen Anteil bei. Allerdings ist ihr Potential weitgehend ausgeschöpft, insbesondere wenn wir naturverträgliche Aspekte berücksichtigen. Laut österreichischem Biodiversitätsrat sind nur noch 17 % der Flüsse in Österreich frei fließendexternal link, opens in a new tab. Es ist von großer Bedeutung, die wenigen intakten Flüsse zu schützen, da sie wichtige Ökosysteme darstellen. Das Potential liegt vor allem in der Effizienzsteigerung und der Verbesserung bestehender Anlagen. Wir können die Wasserkraft als wichtige und nachhaltige Energiequelle nutzen und gleichzeitig die Umwelt und die natürlichen Lebensräume schützen.

Pumpspeicherkraftwerke:

Pumpspeicherkraftwerke dienen dazu, Spitzenlasten im Stromnetz auszugleichen, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Sie integrieren erneuerbare Energiequellen, indem sie überschüssige Energie speichern und bei Bedarf wieder abgeben. Pumpspeicherkraftwerke benötigen zwei Speicherseen. Bei Bedarf wird das gespeicherte Wasser aus dem oberen Speicher abgelassen, um Turbinen anzutreiben und elektrische Energie zu erzeugen. Um den Bau neuer Pumpspeicherkraftwerke möglichst naturverträglich zu gestalten, werden bevorzugt Standorte gewählt, an denen bereits Ober- und Unterbecken vorhanden sind oder an denen ein Speicher mit geringeren ökologischen Auswirkungen errichtet werden kann. Ein Negativbeispiel, bei dem dies nicht gewährleistet wird, ist das Ausbauprojekt Kaunertal Kraftwerk in den Tiroler Alpen. Hier würde der Ausbau mit massiver Naturzerstörung einhergehen und sollte daher verhindert werden. Beispiele aus anderen Bundesländern zeigen, dass zusätzliche Pumpspeicherkapazitäten vor allem dort gebaut werden, wo bereits zwei Speicherseen vorhanden sind.

Windkraft:

Die Windkraft ist zweifellos eine viel diskutierte Energieform in Österreich. Es steht außer Frage, dass wir Windenergie dringend benötigen, um den Energiebedarf insbesondere während der Wintermonate zu decken. Denn Wasserkraft und Solarenergie werden hauptsächlich im Frühling und Sommer produziert. Daher entsteht die bekannte "Winterlücke", die es zu füllen gilt. Die Nutzung von Windenergie ist somit entscheidend, um eine kontinuierliche und zuverlässige Energieversorgung sicherzustellen, selbst in Zeiten niedrigerer Sonneneinstrahlung und geringerer Wasserführung der Flüsse.

Die Debatte über den Bau von Windkraftanlagen sollte sowohl ökologische als auch naturschutzrelevante Gesichtspunkte einbeziehen. Ein gründlicher Zonierungsprozess auf Landesebene ist erforderlich, um geeignete Standorte zu identifizieren und auszuweisen. Dieser Prozess sollte klare Kriterien enthalten, die den Schutz sensibler Ökosysteme wie Naturschutzgebiete und Brutgebiete gefährdeter Vogelarten sicherstellen. Nur durch einen solch umfassenden Ansatz können wir sicherstellen, dass Windenergieprojekte den Bedarf an erneuerbarer Energie decken und gleichzeitig die Umwelt und die Biodiversität schützen.

 

Landschaft mit Windräder im Sonnenuntergang

GLOBAL 2000/ Christopher Glanzl

Freiflächen-Photovoltaik:

Aus naturschutzfachlicher Sicht ist der Ausbau von Photovoltaik auf Dächern und bereits verbauten Flächen die beste Lösung. Deshalb sollten bereits versiegelte Flächen bevorzugt werden. Eine Doppelnutzung, zum Beispiel PV in Kombination mit Landwirtschaft, ist empfehlenswert. 

Obwohl es theoretisch ausreichend Potential auf Dächern gibt, ist es aus verschiedenen Gründen oft schwierig, dieses schnell genug zu nutzen: 

  • Technische Hindernisse, wie Statik und Denkmalschutz
  • wirtschaftliche Hindernisse, wie Kapitalmangel, Investitionszyklen und geringe Flächenausnutzung bei Eigendeckung 
  • sozio-ökologische Hindernisse, wie Miteigentümer:innen, mangelndes Wissen und die Altersstruktur der Bewohner:innen 

Um unsere Ausbauziele zu erreichen, müssen wir auch die Potentiale von Freiflächen-PV nutzen. Um beim Ausbau wichtige ökologische Lebensräume zu schützen, ist ein klarer Rahmen und Zonierung unter Einbeziehung von Naturschutz notwendig. Deshalb sollten Freiflächen in Nationalparks und Wildnisgebieten sowie in Naturschutzgebieten nicht bebaut werden. Es sollten Abwägungszonen, wie Natura 2000 oder UNESCO-Biosphärenparks, eingerichtet werden. In diesen Zonen können PV-Anlagen auf Teilflächen errichtet werden, nachdem eine erfolgreiche Naturverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde. Zugleich soll es Eignungszonen geben, die nach Prüfung gemäß bundesweit einheitlicher Umwelt- und Naturschutzkriterien für Freiflächenanlagen geeignet sind.

Wie kann die naturverträgliche Energiewende gelingen?

Fossile Energien tragen nicht nur zur Klimakrise bei und setzen Treibhausgasemissionen frei, sondern können auch direkte ökologische und soziale Folgen haben. Ein Beispiel hierfür sind die Pipeline-Lecks von Shell in Nigeria. Jedes Jahr gelangen Millionen Tonnen Öl in den Boden, aufgrund unzureichender Wartung. Dies hat vor Ort verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung und das sensible Ökosystem des Nigerdelta. Es ist wichtig zu erkennen, dass jede Form der Energiegewinnung potenziell negative Auswirkungen mit sich bringt. Daher ist es entscheidend, auch auf Energieeinsparung zu setzen und die Energie, die wir brauchen, naturverträglich und klimafreundlich zu gewinnen.

Daher fordern wir:

  1. Die Zonierung von Eignungs-, Abwägungs- und Ausschlusszonen in allen Bundesländern.
  2. Den ambitionierten Ausbau von naturverträglichen Erneuerbaren - dafür braucht es die Anstrengung ALLER neun Bundesländer.
  3. Den Ausbau benötigter Infrastruktur (Netze, Speicher, Power-to-X) und Förderung von Dezentralisierung und Energiegemeinschaften.
  4. Naturverträgliche Energiestrategien der Energieversorger mit konsequenten Ausstiegsplänen aus fossiler Energie.
  5. Den Stopp von Zerstörung wichtiger ökologischer Lebensräume durch Mega-Projekte, wie den Ausbau des Kaunertal Kraftwerks.