Klar ist jedoch, dass es sich um eine Ausnahmesituation handelt. Selbst positive Effekte für die Umwelt sind in vielen Fällen mit negativen gesellschaftlichen Maßnahmen verknüpft. Wir bekommen aber gerade einen Einblick, was in der Natur passiert, wenn wir ihr ein bisschen mehr Raum geben. Nach der Krise wissen wir dann, wie wir die Natur auch in Zukunft auf eine nachhaltige Art und Weise unterstützen und die positiven Effekte fair umsetzen können - durch einen Wandel hin zu einer klimafreundlichen und artenschutzverträglichen Arbeits- und Wirtschaftsweise in Österreich und weltweit.
Was bedeutet die Corona-Krise für die Umwelt in Österreich? Unsere ExpertInnen geben vorsichtige Schätzungen ab:
Biodiversität
Durch die Ausgangsbeschränkungen sind generell weniger Leute unterwegs, was der Natur wieder etwas mehr Raum gibt. So werden etwa Wildtiere – zumindest abseits der Naherholungsgebiete der Städte – aktuell weniger gestört als zuvor und können sich freier in ihrem Lebensraum bewegen.
Da viele Fabriken still stehen und weniger Auto unterwegs sind, haben sich die Emissionen von Schad- und Nährstoffen verringert und es kommt zu einer geringeren Umweltbelastung, wovon die Biodiversität ebenfalls profitiert. Vor allem Stickstoff wirkt sich in sensiblen Gebieten wie Mooren oder Trockenrasen normalerweise negativ auf die Artenvielfalt aus. Eine der größten Ursachen für Stickstoffeinträge in die Natur, nämlich die intensive Düngung der Felder und Wiesen, bleibt allerdings auf hohem Niveau.
Weniger Autoverkehr kommt der Tierwelt auch direkt zu Gute, denn jährlich werden unzählige Insekten, aber auch Igel, Hasen, Vögel, Rehe und viele andere Tiere von fahrenden Autos getötet. Diese Tiere haben aktuell ruhigere Zeiten. Außerdem sind durch den eingeschränkten Handel und reduzierte Reisen weniger Schiffe auf den Meeren und Flüssen unterwegs, was eine geringere Verschmutzung der Gewässer und weniger ohrenbetäubender Lärm für die Wasserbewohner mit sich bringt.
Es wäre zu hoffen, dass auch die Lichtverschmutzung (unnötige Lichtemissionen in der Nacht, die negative Auswirkungen auf Insekten und andere Tiere haben) zurückgeht, da die geschlossenen Geschäfte und Firmen in der Nacht nicht beleuchtet werden müssen. Vor allem wäre eine nächtliche Beleuchtung jetzt doppelt sinnlos, weil durch die Ausgangsbeschränkungen auch nur sehr wenige Personen die beleuchteten Geschäfte überhaupt sehen. Ob wirklich weniger beleuchtet wird, wissen wir allerdings nicht, denn auch wir halten uns an die Ausgangsbeschränkungen.
Der eingeschränkte, globale Warenverkehr und die auf ein Minimum reduzierten Reisen, senken das Risiko einer internationalen Verbreitung von invasiven Arten. Eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten sind eine Bedrohung für die heimische Flora und Fauna. Die Kontrolle dieser sogenannten invasiven Neobiota ist ein erklärtes Ziel der europäischen sowie auch der österreichischen Biodiversitätsstrategie.
Die Frühlingszeit ist auch Gartenzeit und viele von uns verbringen wegen des Corona-Virus vielleicht noch mehr Zeit im Garten als sonst. Das bedeutet auch, dass wir jetzt umso mehr für die Artenvielfalt in der eigenen Grünoase tun können. So wie wir Menschen auf einander Acht geben, so sollte wir auch auf die Natur Acht geben. Viele Tipps zur Förderung der Artenvielfalt gibt es in unserer Broschüre „Lebensraum Garten“ und in unserem Nationalpark Garten.
Es gibt aber auch negative Auswirkungen auf die Natur. So musste etwa die händische Aufzucht von Waldrappen gestoppt werden. Obwohl genug Nachwuchs da wäre, ist nicht möglich, die Aufzucht zu organisieren. Auch die anschließende "menschliche Migration" der Tiere, wodurch sie in ihre Winterquartiere gelangen würden, fällt dadurch aus. Außerdem besteht derzeit global gesehen große Sorge um bedrohte Menschenaffen, da sie sich mit dem Virus infizieren könnten.
Auch der Rückgang des Tourismus, der auf den ersten Blick eine Entspannung für die Natur darstellt, ist für bestimmte Bereiche des Umwelt- und Naturschutzes ein Problem. Nationalparks und andere Naturreservate sind auf die Einnahmen durch den grünen Tourismus angewiesen. Bleiben die Besucher aus, fehlen finanzielle Mittel für Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen.
Durch die Einschränkungen der Wirtschaft und der Mobilität kommt es also in einigen Bereichen zu einer Entlastung der Natur, die Hauptursachen für den Artenverlust bleiben aber bestehen. Dies sind in unseren Breiten nämlich die zu intensive Flächennutzung durch die Landwirtschaft inkl. Pestizideinsatz, sowie das Ausräumen der Landschaften und die Versiegelung von Böden. Dazu kommt, dass im Schatten der Krise auch die Rodung des Regenwaldes ungebremst weitergeht und der Klimawandel voranschreitet, der ebenfalls viele Arten bedroht.
Welterschöpfungstag
Der Welterschöpfungstag misst, ab welchem Datum alle Ressourcen vom Menschen verbraucht worden sind, die innerhalb von einem Jahr auch wieder nachwachsen werden können. Ist dieser Tag überschritten, sprechen wir von einem Overshoot, weil ab diesem Zeitpunkt die Beanspruchung größer ist, als der Nachschub. International ist dieser Tag daher auch als "Earth Overshoot Day" bekannt.
Der Welterschöpfungstag 2020 wurde erstmalig wegen der Corona-Pandemie verzögert. Das bedeutet, dass wir global gesehen heuer weniger Ressourcen verbraucht haben als noch im Jahr davor. Dennoch bedeutet das keine Pause für unsere Erde, denn auch ein Overshoot ab dem 22. August ist viel zu früh und die Ausbeutung unserer Erde schreitet weiter voran. Die Corona-Pandemie ist zudem keine nachhaltige Erholungsphase für die Ressourcen unseres Planeten.
Klima
Auf die CO2-Emissionen in Österreich wirken sich vor allem die derzeitigen Reisebeschränkungen aus. So gibt es starke Rückgänge beim Flugverkehr. Ein Flug verursacht 31mal so viele CO2-Emissionen wie eine Bahnfahrt. Reduziert sich der Flugverkehr in Österreich für ein Monat um 80% entspricht das einer CO2-Einsparung von etwa 159.000 t CO2. Das ist so viel wie 80.000 durchschnittliche PKW in einem ganzen Jahr verursachen. Außerdem gehören Home Office und Videokonferenzen heute zum Büroalltag, was auch den Verkehr und die dazugehörigen Emissionen stark reduziert. Das ganze gilt aber nur, während wir so eingeschränkt leben. Danach kommt es darauf an, welche Maßnahmen für langfristigen Klimaschutz gesetzt werden.
Gleichzeitig sehen wir eine verbesserte Luftqualität, wie die Rückgänge bei den Stickoxidmesswerten zeigen. Am Rudolfsplatz in Salzburg gingen die Werte etwa um mehr als die Hälfte zurück. In Graz und Wien zeigen Hotspots 20-35% weniger Stickoxide. Diese Verbesserung der Luftqualität ist besonders wichtig, weil pro Jahr in Österreich mehr als 6.570 Menschen vorzeitig an den Folgen der Luftverschmutzung durch Feinstaub, Stickoxide und bodennahem Ozon sterben.
Auch der soziale Zusammenhalt der Menschen kann positive Auswirkungen auf unser Klima haben. Diesen Zusammenhalt benötigen wir nämlich langfristig, damit wir neben der Corona-Krise auch die Klimakrise lösen können. Wenn wir lernen, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, auf Freunde, Familie und weniger auf Materielles zu schauen, und die Politik den Weg für wichtige Zukunftsinvestitionen frei macht, können wir das schaffen.