Als im Herbst 2017 auf EU-Ebene über eine Lizenzverlängerung des Pestizidwirkstoffes Glyphosat abgestimmt wurde, zählte Österreich zu jenen Ländern, die dagegen gestimmt haben. Dies, obwohl das zuständige ÖVP-geführte Landwirtschaftsministerium ein Glyphosatverbot zuvor stets abgelehnt hatte. Das österreichische „Nein“ zu einer Lizenzverlängerung entstand durch einen Beschluss im Parlament durch SPÖ, Grüne und FPÖ. Dieser war kurz vor der Nationalratswahl 2017 im freien Spiel der Kräfte zustande gekommen und verpflichtete den Landwirtschaftsminister (ÖVP), in Brüssel gegen die Wiedergenehmigung von Glyphosat zu stimmen.
Vorgeschichte des Glyphosatverbots in Österreich und Deutschland
Nach dem österreichischen Nein zu einer Lizenzverlängerung gingen die Wogen hoch, als der deutsche Agrarminister Christian Schmidt für eine Lizenzverlängerung von Glyphosat stimmte und somit gegen die Geschäftsordnung der deutschen Bundesregierung und die Koalitionsvereinbarung verstieß. Meinungsumfragen zufolge wünschten sich damals über 80 % der Bürgerinnen und Bürger ein österreichisches Glyphosatverbot.
Reaktionen auf die Wiedergenehmigung von Glyphosat in Österreich
Nach der Linzenzverlängerung auf EU-Ebene kündigte die SPÖ als Oppositionspartei an, einen Gesetzesantrag für ein nationales Verbot von Glyphosat einzubringen. Daraufhin sprach sich Mitte Dezember 2017 auch die ÖVP im Rahmen eines Interviews des Bundeskanzlers Sebastian Kurz mit der Kronen Zeitung für ein Verbot von Glyphosat aus. Des Weiteren wurde am selben Tag ein österreichweites Verbot von Glyphosat „als eine der ersten Maßnahmen der gemeinsamen Regierungsarbeit“ von ÖVP und FPÖ angekündigt und zeitgleich brachte die SPÖ ihren Gesetzesantrag für ein Verbot des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat im Sinne des Vorsorgeprinzips ein.
Bereits am darauf folgenden Tag dämpfte die Agentur für Gesundheit und Ernährung (AGES) die Hoffnungen der ÖsterreicherInnen auf ein baldiges Glyphosatverbot. Laut AGES soll ein vom Ministerium beauftragtes Rechtsgutachten des Europarechtlers Prof. Walter Obwexer von der Universität Innsbruck zeigen, dass ein Glyphosatverbot nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Daraufhin beauftragte das Landwirtschaftsministerium eine Machbarkeitsstudie, welche die Möglichkeiten und Auswirkungen eines Ausstiegs aus Glyphosat abklären sollte. Die Regierungsparteien blockierten die Behandlung des Gesetzesantrags mit dem Argument, auf das Ergebnis der Studie zu warten. Die Veröffentlichung wurde jedoch mehrmals verschoben.
Neue Bewegungen durch den Ibiza-Skandal
Nach Ende der ÖVP-FPÖ Regierung konnte im freien Spiel der Kräfte der Gesetzesantrag auf die parlamentarische Agenda gesetzt werden. Somit wurde ein Abstimmungstermin im österreichischen Parlament erreicht. Im Gegensatz dazu brachte die ÖVP einen eigenen Antrag ein, welcher eine Beschränkung auf die Anwendung im privaten und kommunalen Bereich und spezifische Anwendungsverbote beinhaltete. Wie bereits zuvor argumentierte die ÖVP, dass ein Totalverbot EU-rechtswidrig sei und unterstützte diese Position durch die Präsentation der Ergebnisse der angekündigten Machbarkeitsstudie. Die Studie beruft sich auf die Rechtsinterpretation des Gutachtens von Walter Obwexer aus dem Jahr 2017. Sowohl die Studienergebnisse als auch das Gutachten wurden erst einen Tag vor der Abstimmung im Parlament veröffentlicht.
Inhalte des Rechtsgutachtens von Prof. Walter Obwexer:
Das Rechtsgutachten besagt, dass ein Totalverbot des Wirkstoffes Glyphosat nicht dem EU-Recht entspricht. Ein nationales Verbot ist nach Obwexer nur unter zwei Bedingungen möglich. Es müssten neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegt werden, die bei der Zulassung von Glyphosat 2017 nicht bekannt waren. Zweitens müssten spezielle Probleme etwa für Umwelt oder Gesundheit nachgewiesen werden, die es nur in Österreich, aber in keinem anderen EU-Staat gibt. Laut Walter Obwexer müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Verbot EU-rechtskonform wäre, laut der Machbarkeitsstudie wäre jedoch keine der Bedingungen erfüllt.