Schutz für Naturwälder - Wir kämpfen weiter vor Gericht

Tonnenschwere Maschinen rollen über den weichen Waldboden, Motorsägen dröhnen durchs Kamptal. Das Europaschutzgebiet wird trotz Ausweisung als Natura 2000-Gebiet regelmäßig Schauplatz von Schlägerungen. Die Behörden schauen seit Jahren tatenlos zu. GLOBAL 2000 wurde bereits im Jahr 2022 in Niederösterreich aktiv. Mittlerweile sind wir beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) angelangt.

Bereits vor drei Jahren hat GLOBAL 2000 großflächige Abholzungen in Niederösterreich aufgedeckt und die zuständigen Bezirkshauptmannschaften darüber informiert.

  • Im Kamptal wurden prioritär geschützte Schlucht- und Hangwälder abgeholzt. Auch Biotopbäume für streng geschützte Käferarten und Horstbäume für Seeadler sind verschwunden.
  • Im Yspertal wurden in den vergangenen Jahren mehr als 23 Hektar unter Schutz stehender Mullbraunerde-Buchenwald vernichtet

GLOBAL 2000 geht vor Gericht

Gestellte Anträge

Ende 2022 hat GLOBAL 2000 rechtliche Schritte gegen die Vernichtung unserer letzten Naturwälder eingeleitet. Wir haben uns mit dem ÖKOBÜRO und der Anwaltskanzlei von Michaela Krömer kompetente juristische Unterstützung geholt. Gemeinsam haben wir bei den zuständigen Bezirkshaupmannschaften (BH) Krems (Kamptal) und Melk (Yspertal) Anträge auf Naturverträglichkeitsprüfungen (NVP) und auf einen sofortigen Abholzungsstopp bis zur Prüfung der Angelegenheit gestellt. 

Zurückgewiesen, weil...

Die Anträge wurden jedoch mit der Begründung zurückgewiesen, dass NGOs offiziell kein Antragsrecht hätten, was unserer Ansicht nach

  1. der Aarhus Konvention widerspricht und
  2. die Behörde und die Grundbesitzer nicht daran hindert, selbst tätig zu werden und eine NVP (Naturverträglichkeitsprüfung) durchzuführen.

Da aber nichts in diese Richtung geschehen war und wir weitere unkontrollierte Fällungen in Naturwäldern beobachten konnten, haben wir im Frühling 2023 Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht (LVwG) Niederösterreich eingebracht.

Letzteres hat nicht nur die sechsmonatige Frist für eine Entscheidung verstreichen lassen, sondern trotz mehrmaligem Vorbringen der Dringlichkeit, bis zum Oktober 2025 (!) für ein Urteil benötigt. Eine lange Zeit, in der weiter geschlägert wurde.

Baumstumpf im Vordergrund umrundet von Bärlauch - im Hintergrund Wald
GLOBAL 2000/ Dominik Linhard

Fällungen im Kamptal

Gefällte Bäume liegen am Waldhang übereinander
GLOBAL 2000/ Dominik Linhard

Fällungen im Kamptal

Baumstumpf im Vordergrund, im Hintergrund Naturwald
GLOBAL 2000/ Dominik Linhard

Fällungen im Kamptal

Absurde Begründung des negativen Urteils

Dass auch das LVwG unsere Beschwerde zurückgewiesen hat, war grundsätzlich keine große Überraschung. GLOBAL 2000, Ökobüro und die Kanzlei Krömer hatten bereits mit einem notwendigen Gang vor den VwGH gerechnet. Die Begründung des negativen Urteils war allerdings doch sehr überraschend. Denn einerseits wird in dem Urteil auf die Parteienstellung von NGOs hingewiesen und somit unser Antragsrecht auch bestätigt. Der Antrag an sich wird aber deshalb zurückgewiesen, weil die Schlägerungen bereits in der Vergangenheit passiert sind.

Eine Begründung, die völlig an der Realität vorbeigeht, denn wie hätte GLOBAL 2000 einen Antrag gegen Schlägerungen stellen sollen, die noch nicht passiert sind und von denen die Öffentlichkeit gar nichts erfährt. Das ist unmöglich und nur ein weiterer Freibrief für unkontrollierte Fällungen in Schutzgebieten. Mit sachlichen Naturschutzargumenten hat sich das Gericht gar nicht beschäftigt.

Wir machen weiter. Nächster Schritt: Verwaltungsgerichtshof

Da wir uns mit einer so realitätsfernen Begründung nicht abspeisen lassen, gehen wir nun vor den VwGH. Der VwGH ist in diesem Fall die höchste Instanz. Es geht immerhin um eine Grundsatzentscheidung für den Schutz der letzten Naturwälder Österreichs ‒ für uns alle. 

Minimum € 5

Bewahren wir unseren Naturwald

Der Wald braucht Sie!

Unsere Wälder sind die grünen Lungen unserer Heimat – sie schenken uns saubere Luft, Artenvielfalt und Lebensqualität. Doch ihr Fortbestehen ist keine Selbstverständlichkeit. Um sie zu bewahren, braucht es Einsatz – und Menschen wie Sie. Gerichtsverfahren zum Schutz der Natur sind teuer: Allein dieses Verfahren kostet mit Gutachten rund 30.000 €. Bitte helfen Sie uns, weiter für unsere heimischen Wälder und uralten Bäume zu kämpfen. Jede Spende ist ein Stück Zukunft. Vielen Dank!

3 Fragen zur rechtlichen Lage:

Natura 2000 Wälder dürfen grundsätzlich bewirtschaftet werden, allerdings nur im Einklang mit den Schutzzielen. Und das muss über NVPs sichergestellt werden. Doch was bringt dieser offizielle Schutz, wenn vor den Augen der Behörden regelmäßig alte Naturwälder, teilweise sogar mit Urwaldcharakter, unkontrolliert geschlägert werden. 

Wir haben mehrere solcher Fällungen aufgedeckt und zu keiner gab es eine NVP oder auch nur eine Vorprüfung. Dabei reicht bereits der Verdacht auf eine erhebliche Beeinträchtigung aus, um eine solche Prüfung auszulösen. Dabei müssen aktuelle Fällungen auch im Zusammenspiel mit vergangen Schlägerungen in dem Gebiet betrachtet werden (=Summationseffekte). Mehrere unabhängige ökologische Gutachten kamen einstimmig zu dem Schluss, dass sowohl im Kamptal als auch im Yspertal eindeutige Umweltschäden entstanden sind und eine erhebliche Beeinträchtigung keinesfalls ohne nähere Prüfung ausgeschlossen werden konnte. 

Diese Verluste liegen weit über Bagatellgrenzen hinaus. Wir haben diese Schäden dokumentiert und gemeinsam mit den Gutachten den Behörden sowie der Niederösterreichischen Landesregierung zukommen lassen.

In Niederösterreich können aktuell nur die Bewirtschafter:innen selbst oder die Umweltanwaltschaft eine NVP beantragen. Umwelt- und Naturschutzorganisationen wirddas Recht dazu bisher verwehrt. Das steht eindeutig im Widerspruch zur Aarhus-Konvention, die eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit in Umweltbelangen vorsieht.

Über Anfragen nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) konnten wir herausfinden, dass in der Vergangenheit noch viele weitere Wälder der beiden Schutzgebiete von ungeprüften Schlägerungen betroffen waren. Und wurden in seltenen Einzelfällen doch naturschutzfachliche (Vor-)Prüfungen durchgeführt, dann war in der Regel der Forstsachverständige auch gleichzeitig für die Naturschutzprüfung zuständig. Hier braucht es eine klare personelle Trennung der Verantwortlichkeiten, denn so sind Interessenskonflikte vorprogrammiert.

Alleskönner Naturwald: wichtiges Ökosystem & Lebensraum

Naturjuwele wie das Kamptal und das Yspertal in Niederösterreich wurden aus guten Gründen zu Schutzgebieten von europäischer Bedeutung erklärt und sind Teil des Natura 2000 Netzwerkes. 

Strukturreiche Naturwälder benötigen Zeit, um sich zu entwickeln. Erst wenn ein Wald ein stattliches Alter von deutlich über 100 Jahren erreicht, entfaltet er seine volle Vielfalt und damit auch sein ganzes Potenzial in Sachen Ökosystemleistungen. 

In alten Wäldern sind große Mengen Kohlenstoff eingelagert, die je nach Baumartenzusammensetzung für hunderte Jahre gebunden bleiben. Damit ist weniger CO2 in der Atmosphäre und das trägt zum Klimaschutz bei.

Alte Wälder regulieren den Wasserhaushalt. Sie speichern große Regenwassermengen und kommen mit Trockenphasen besser zurecht als junge, monotone, stark durchlichtete, oder gar kahl geschlagene Flächen. Intakte und unverdichtete Waldböden haben eine hohe Filterwirkung und sorgen für neues Grundwasser und sauberes Trinkwasser.

Ungestörte Wälder weisen auch eine besondere Artenvielfalt auf. Ausladende Baumkronen bieten großen Vögeln wie Störchen oder Adlern ausreichend Platz für ihren Horst. Astlöcher und Baumhöhlen werden von Fledermäusen, Eulen oder Spechten besiedelt und der Nachwuchs von Hirschkäfer oder Alpenbock könnte ohne Alt- und Totholz nicht überleben.  

Seeadler
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Seeadler

Mittelspecht
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Mittelspecht

Hirschkäfer auf Holzterasse
GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Hirschkäfer

Das Land Niederösterreich ist in der Pflicht, seine Natura 2000-Wälder zu schützen

Dafür braucht es:

  • flächenscharfe Kartierung der Natura 2000-Schutzgüter
  • Managementpläne mit konkreten Zielen und Maßnahmen
  • eine sorgfältige Prüfung von Notwendigen NVPs
  • eine klare Trennung von Forst- und Naturschutzpersonalien 
  • eine massive Aufstockung des Naturschutzbudgets der Bundesländer