11.05.2023

Blumensträuße und Zierpflanzen im Pestizid-Test

Anlässlich des Muttertags haben wir 16 Schnittblumen und Zierpflanzen auf Pestizide getestet. Allein ein Drittel der Österreicher:innen verschenken zum Muttertag am liebsten Blumen. Was viele nicht wissen: Mit Liebe oder Dank hat so ein Strauß nicht viel zu tun. Die Blumen haben oft eine lange Reise hinter sich und sind stark mit Pestiziden belastet.

Cover: Der GLOBAL 2000 Muttertags-Test

GLOBAL 2000

Bis zu 39 Pestizide haben wir auf einzelnen Blumensträußen gefunden. Spoiler: Auch der „natürliche“ Blumenstrauß ist mit 24 Pestiziden durchgefallen. Im Vergleich zu den Schnittblumen haben wir Topfpflanzen für Zimmer und Garten getestet. Die als Muttertagsgeschenk beliebten Orchideen waren zwar geringer belastet, dennoch: Zier- und Schnittblumen kommen meist von weit her und die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern sind häufig problematisch.

Herkunftsländer arbeiten mit Pestiziden, die in der EU nicht zugelassen sind

Die in Mitteleuropa angebotenen Schnittblumen und Zierpflanzen haben oft eine lange Reise hinter sich. Ein großer Teil der in Europa verkauften Blumen wird über den großen Umschlaghafen Rotterdam oder die Blumenversteigerung in Aalsmeer in den Niederlanden abgewickelt. Daher wird als Herkunft oft „NL“ (Niederlande) angegeben. Das, obwohl die Pflanzen ursprünglich aus weiter entfernten Ländern wie Kenia, Äthiopien oder Ecuador stammen.

Betroffen sind vor allem Frauen

Einige der bei der Blumenproduktion eingesetzten Pestizide sind in Europa seit vielen Jahren nicht mehr zugelassen, weil sie hochgiftig für Mensch und Umwelt sind. Die Arbeiter:innen in ärmeren Produktionsländern sind diesen häufig ohne Schutzausrüstung ausgesetzt. Da viele der Pestizide, die auf den Blumenfarmen zum Einsatz kommen, fortpflanzungsschädigend oder hormonell wirksam sind, sollten wir gerade zum Muttertag auch an die Mütter in diesen Ländern denken. Gerade auf Blumenfarmen ist der Anteil an Frauen unter den Arbeiter:innen hoch.

Pestizide sind potenziell:

  • hormonell wirksam
  • krebserregend
  • fortpflanzungsschädigend
  • mutagen

Ergebnisse des Pestizid-Tests

Für den Test wurden 16 Proben von Schnittblumen und Zierpflanzen bei 8 unterschiedlichen Händlern in Österreich eingekauft. Sie wurden von einem akkreditierten Labor auf Rückstände von über 600 Pestizidwirkstoffen untersucht.

  • Auf 15 der 16 Proben wurden Pestizide nachgewiesen. Im Durchschnitt wurden 10,7 Pestizide auf einer Probe gefunden. Der Höchstwert waren 39 verschiedene Pestizide auf einem Blumenstrauß.
  • Nur auf einer Probe wurden keine Pestizid-Rückstände nachgewiesen.
  • Auf 13 Proben wurden Pestizide mit besonders negativen Eigenschaften für die menschliche Gesundheit gefunden. Die gemischten Blumensträuße wiesen sogar 8-17 solcher gesundheitlich problematischer Substanzen auf. Die Arbeiter:innen in den Produktionsländern sind diesen Pestiziden oft ohne ausreichender Schutzbekleidung ausgesetzt.
  • Schnittblumen waren durchschnittlich stärker belastet als Zierpflanzen im Topf. Eine Ausnahme bildeten Tulpen aus Österreich, die deutlich geringer belastet waren als die übrigen Schnittblumen.
  • Auf 5 Pflanzen wurden Pestizide nachgewiesen, die zum Zeitpunkt der Probennahme keine EU-Zulassung hatten.
  • Auf 11 Proben waren Pestizide nachweisbar, die vor allem für Bienen hochgiftig sind. Auf den drei Lavendel-Proben wurden bis zu zwei Substanzen gefunden, die für Bienen hochgiftig sind. Das ist besonders problematisch, da der Lavendel primär für den Garten gedacht ist und als Futterpflanze für Bienen dienen sollte.
  • Als irreführend wurde die Etikette mit der Aufschrift „natürlich“ auf der Probe „Saisonstrauß“ von SPAR gewertet. Auf dieser Probe wurde 24 Pestizide nachgewiesen, davon 9 besonders gesundheitsschädliche, 5 ohne Zulassung in der EU, sowie 4 hoch bienengiftige Wirkstoffe. Dieser Strauß ist weder saisonal noch „natürlich“.
  • Unzureichende Transparenz im Blumenhandel: Bei 5 der untersuchten Proben konnten keine Informationen über die Herkunft der Blumen gefunden werden. 7 Produkte waren mit der Herkunft NL (Niederlande) beschriftet, weil die meisten Blumen aus Afrika, Asien oder Südamerika über die Niederlande nach Europa importiert werden.
Waltraud Novak

„Wir haben in unserem Test auf 15 von 16 Pflanzen Rückstände von Pestiziden gefunden. Spitzenreiter war ein ‚Biedermeier‘-Blumenstrauß mit 39 Wirkstoffen. Die Hälfte aller gefundenen Pestizide kann gesundheitlich sehr bedenkliche Auswirkungen haben, diese Substanzen können unseren Hormonhaushalt stören und krebserregend oder fortpflanzungsschädigend sein. Will man so ein Pestizid-Potpourri wirklich seiner Mama in die Hände drücken?“

Waltraud Novak, GLOBAL 2000-Pestizidexpertin

Die Ergebnisse decken problematische Doppelstandards auf

Europäische Pestizid-Hersteller wie Bayer oder Syngenta verkaufen in der EU nicht mehr zugelassene Mittel an Nicht-Mitgliedstaaten und auf andere Kontinente. Dadurch wird dort die Gesundheit von Mensch und Umwelt gefährdet. EU-Staaten importieren diese nicht zugelassenen Pestizide dann wieder mit den zugekauften Pflanzen – und das großteils unkontrolliert.

Die Ergebnisse dieses Tests sind ein weiterer Beleg für die seit Jahren bekannten Mängel in der Regulierung von Pestizidrückständen auf Zierpflanzen. Bereits in den letzten Jahren führte GLOBAL 2000 Tests bei vermeintlich bienenfreundlichen Topfpflanzen durch, die zu ähnlichen Ergebnissen führten.

In Österreich fehlt die gesetzliche Regelung

In Österreich gibt es derzeit kein Gesetz, das Pestizidrückstände auf Zierpflanzen regelt. Deshalb finden auch keine staatlichen Kontrollen diesbezüglich statt. Dies gilt sowohl für heimische Ware als auch für importierte Schnittblumen und Zierpflanzen.

Anders ist die Situation in Deutschland. Dort regelt das Pflanzenschutzgesetz, dass Pflanzen nur dann importiert werden dürfen, wenn sie frei von in der EU nicht-zugelassenen Pestiziden sind. Grenzwerte für Rückstände gibt es allerdings auch dort nicht. Wir fordern, dass sich Österreich auf EU Ebene für solche Grenzwerte einsetzt und möglichst rasch zumindest ein ähnliches Gesetz wie in Deutschland umgesetzt werden.

Wir fordern:

  • Einführung von gesetzlichen Höchstwerten für Pestizidrückstände bei Schnittblumen und Zierpflanzen.

  • Durchgängiges Importverbot für Pflanzen, die Pestizide enthalten oder denen Pestizide anhaften, die in der EU nicht zugelassen sind.

  • Systematische staatliche Kontrollen von Pestizidrückständen auf Schnittblumen und Zierpflanzen (inklusive Jungpflanzen), insbesondere von importierter Ware.

  • Einführung von strengeren Kriterien für den „europäischen Pflanzenpass“: Transparente Herkunft und Handelswege, beginnend bei der Produktion von Samen und Jungpflanzen.

  • Europäisches Exportverbot für Pestizide, die in der EU aufgrund von Gesundheits- und Umweltgefahren keine Zulassung haben.

  • Reform des europäischen Zulassungsverfahrens für Pestizide: Langzeiteffekte, Kombinationswirkungen und die Auswirkung auf sensible Arten müssen zukünftig bei der Zulassung von Wirkstoffen berücksichtigt werden.

  • Förderung der biologischen Schnittblumen- und Zierpflanzenproduktion und der heimischen Jungpflanzenzucht.

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