06.05.2024

Blumensträuße im Pestizid-Test

Allein ein Drittel der Österreicher:innen verschenken zum Muttertag am liebsten Blumen. Was viele nicht wissen: Mit Liebe oder Dank hat so ein Blumenstrauß eigentlich nicht viel zu tun. Denn die Blumen haben oft eine lange Reise hinter sich und sind stark mit Pestiziden belastet.

Cover des Pestizid-Test: Giftige Blumensträuße

GLOBAL 2000

Gemeinsam mit der Arbeiterkammer Oberösterreich haben wir anlässlich des Muttertags 16 Blumensträuße auf Pestizide getestet. 

Bis zu 32 Pestizide haben wir auf einzelnen Blumensträußen gefunden. Von Rosen über Nelken bis zum Biedermeierstrauß, ob rot, rosa, weiß oder gelb, überall sind Pestizide zu finden.

Die meisten der gefundenen Pestizide weisen schwerwiegende gesundheitsschädliche Auswirkungen auf, von krebserregend bis zu fortpflanzungsstörend. Außerdem kommen Schnittblumen meist von weit her und die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern sind häufig problematisch.

Mangelnde Transparenz im Blumenhandel

Die in Mitteleuropa angebotenen Schnittblumen und Zierpflanzen haben oft eine lange Reise hinter sich, viele von ihnen kommen aus dem Globalen Süden. Die Blumen werden dann in Europa über den großen Umschlaghafen Rotterdam oder die Blumenversteigerung in Aalsmeer in den Niederlanden abgewickelt. Daher wird oft nur „NL“ (Niederlande) als Herkunft angegeben.

Herkunft ist oft ungewiss

In neun der untersuchten Proben fanden wir keine Hinweise auf die Herkunft der Blumen. 6 Produkte waren mit Herkunft NL (Niederlande) beschriftet. Das, obwohl die Pflanzen ursprünglich aus weiter entfernten Ländern wie Kenia, Äthiopien, Ecuador, Kolumbien oder Tansania stammen.

Betroffen sind vor allem Frauen

Einige Pestizide, die in der Blumenproduktion verwendet werden, sind in Europa seit Jahren verboten. Sie schaden Mensch und Umwelt. Trotzdem werden die Pestizide von den Herstellern in andere Kontinente exportiert und auch im Blumenanbau eingesetzt. Die Arbeiter:innen in ärmeren Produktionsländern sind diesen häufig ohne Schutzausrüstung ausgesetzt.

Vor allem zum Muttertag sollten wir daher an die Mütter in den Produktionsländern denken. Viele der Pestizide, die auf Blumenfarmen zum Einsatz kommen, sind fortpflanzungsschädigend oder hormonell wirksam und treffen daher am stärksten Frauen. Gerade auf Blumenfarmen ist der Anteil an Frauen unter den Arbeiter:innen hoch.

Die Gefahr von Pestiziden

Bei unserem Test haben wir insgesamt 79 verschiedene Pestizide auf den 16 Blumensträußen gefunden. Fast zwei Drittel davon weisen konkrete, gesundheitsschädliche Eigenschaften auf. Sie sind krebserregend, fortpflanzungsschädingen, hormonell wirksam oder von der WHO als gefährlich für den Menschen eingestuft. Außerdem waren unter den nachgewiesenen Substanzen 11 PFAS-Pestizide, die aufgrund ihrer Beständigkeit zu den sogenannten „Ewigkeits-Chemikalien“ zählen. Von den 79 gefundenen Pestiziden haben 23 keine EU-Zulassung.

12 Sträuße waren mit Pestiziden belastet, die zum Zeitpunkt der Probennahme keine EU-Zulassung hatten. Darunter auch gesundheitlich besonders bedenkliche Substanzen wie Carbendazim, Chlorpyrifos und Iprodion.

PESTIZIDE SIND POTENZIELL:

●    hormonell wirksam
●    krebserregend
●    fortpflanzungsschädigend
●    mutagen

Pestizidcocktails aus mehreren verschiedenen Pestiziden sind besonders problematisch, da sie die Giftigkeit einzelner Substanzen noch deutlich erhöhen. Diese Wechselwirkungen zwischen Pestiziden sind bisher nicht ausreichend untersucht und auch nicht Teil des Zulassungsverfahrens.

Ergebnisse des Pestizid-Tests

Für den Test wurden 16 Blumensträuße bei 9 unterschiedlichen Händlern in Österreich eingekauft. Die Proben wurden von einem akkreditierten Labor auf Rückstände von über 600 Pestizidwirkstoffen untersucht.

Getestete Händler:

  • BILLA
  • Blumen 2000
  • Blumen B&B
  • Blumen Malececk GmbH
  • FlowerShop rosenrot
  • HOFER
  • LIDL
  • myFlowers
  • SPAR

Ergebnisse kurz und knapp zusammen gefasst:

  • In allen 16 untersuchten Proben fanden sich Pestizide.
  • Der Höchstwert waren 32 verschiedene Pestizide auf einem gemischten Blumenstrauß von LIDL.
  • Ein Strauß österreichischer Tulpen von SPAR zeigte die geringste Belastung, da nur ein Pestizidwirkstoff nachgewiesen wurde.
  • Im Durchschnitt wurden 14 Pestizide pro Blumenstrauß gefunden.
  • 15 Pflanzenproben wiesen Mehrfachrückstände auf. Bei zwei Dritteln aller Pflanzen fanden sich 14 oder mehr Wirkstoffe.
  • Sortenreine Blumensträuße waren mit durchschnittlich 8 Pestiziden deutlich weniger belastet als gemischte Sträuße, die durchschnittlich 17 verschiedene Pestizidrückstände aufwiesen.
  • Auf fast allen Sträußen wurden Pestizide mit besonders negativen Eigenschaften für die menschliche Gesundheit gefunden. Das negative Highlight war ein Blumenstrauß von LIDL mit insgesamt 21 solcher gesundheitlich problematischer Substanzen.
Waltraud Novak

“In unserem Test fanden wir keinen einzigen Blumenstrauß, der nicht mit Pestiziden belastet war. 32 verschiedene Pestizide auf einem Blumenstrauß – wer möchte so etwas der Mutter schenken. Die gefundenen Wirkstoffe bergen zum Teil ernsthafte Gesundheitsrisiken. Krebserregend, fortpflanzungsschädigend oder den Hormonhaushalt störend sind nur einige der möglichen Auswirkungen.“

Waltraud Novak, GLOBAL 2000-Pestizidexpertin

Es gibt Alternativen zum herkömmlichen Blumenstrauß:

  • Ein selbst gepflückter Wiesenstrauß aus dem eigenen Garten oder vom Wegesrand. (Geschützte Arten, Parks, Wiesen und fremde Gärten gilt es natürlich intakt zu lassen)
  • Auf Blumen aus biologischen Anbau dürfen keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt werden.
  • Pflanzen aus heimischem Anbau sind eher weniger belastet als Blumen mit längerem Transportweg.
  • Sogenannte Slowflower Betriebe vertreiben regionale und saisonale Blumensträuße garantiert ohne Pestizide.

In Österreich fehlt die gesetzliche Regelung

In Österreich gibt es derzeit kein Gesetz, das Pestizidrückstände auf Schnittblumen regelt. Deshalb finden auch keine staatlichen Kontrollen diesbezüglich statt. Dies gilt sowohl für heimische Ware als auch für importierte Schnittblumen.

Anders ist die Situation in Deutschland. Das Pflanzenschutzgesetz regelt, dass Pflanzen nur dann importiert werden dürfen, wenn sie frei von nicht zugelassenen Pestiziden sind. Grenzwerte für Rückstände gibt es allerdings auch dort nicht. Wir fordern, dass Österreich sich auf EU-Ebene für solche Grenzwerte einsetzt und möglichst bald ein ähnliches Gesetz wie in Deutschland umsetzt.

Nicht zuletzt sind aber auch die großen Händler in der Verantwortung, Blumen anzubieten, deren Produktion und Handel nicht die Umwelt vergiften und die menschliche Gesundheit gefährden.

WIR FORDERN:

  • Einführung von gesetzlichen Höchstwerten für Pestizidrückstände bei Schnittblumen und Zierpflanzen.
  • Durchgängiges Importverbot für Pflanzen, die Pestizide enthalten oder denen Pestizide anhaften, die in der EU nicht zugelassen sind.
  • Systematische staatliche Kontrollen von Pestizidrückständen auf Schnittblumen und Zierpflanzen (inklusive Jungpflanzen), insbesondere von importierter Ware.
  • Förderung der biologischen Schnittblumen- und Zierpflanzenproduktion und der heimischen Jungpflanzenzucht.
  • Reform des europäischen Zulassungsverfahrens für Pestizide: Langzeiteffekte, Kombinationswirkungen und die Auswirkung auf sensible Arten müssen zukünftig bei der Zulassung von Wirkstoffen berücksichtigt werden.
  • Einführung von strengeren Kriterien für den „europäischen Pflanzenpass“: Transparente Herkunft und Handelswege, beginnend bei der Produktion von Samen und Jungpflanzen.

Downloads: