Das Atomkraftwerk Zwentendorf ist ein Stück österreichischer Zeitgeschichte und ein energiepolitisches Mahnmal.
Am 4. April 1972 erfolgte der Spatenstich für die Errichtung des ersten österreichischen Atomkraftwerks im niederösterreichischen Zwentendorf an der Donau. Schon zwei Wochen nach Baubeginn beschädigte ein starkes Erdbeben das Fundament. Das musste daraufhin abgerissen und neu gebaut werden. Die Fertigstellung des AKW mit dem 700 MW Siedewasserreaktor dauerte vier Jahre.
Widerstand und Anti-Atom-Bewegung in Österreich
Im Herbst 1976 startete die Regierung eine Informationskampagne, mit dem Ziel, die Nutzung der Atomenergie (und die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf) zu rechtfertigen. Der gewünschte Effekt blieb aus. Erstmals erschienen in den Zeitungen nuklearkritische Artikel, die Anti-Atom-Bewegung erfuhr einen Aufschwung. Die Allianz der Atombefürworter begann bald zu bröckeln. Großes Aufsehen erregte 1977 der Hungerstreik von neun Vorarlberger Müttern vor dem Bundeskanzleramt, die damit einen Probebetrieb in Zwentendorf verhindern wollten.
Das Atomkraftwerk spaltete das Land. Auf der einen Seite standen die AtomgegnerInnen, auf der anderen die Mächtigen des Landes: Die SPÖ-Alleinregierung unter Bundeskanzler Bruno Kreisky, die Gewerkschaft, die Industrie und die Handelskammer. In der Erwartung eines zustimmenden Ergebnisses entschloss sich Kanzler Kreisky, das Volk über die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf abstimmen zu lassen – doch der Schuss ging nach hinten los.
50,47% gegen Atomkraft
Österreichs Bevölkerung hat sich am 5. November 1978 gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf entschieden. Es war eine denkbar knappe Entscheidung, welche aufgrund von knapp 30.000 Stimmen zugunsten der AtomkraftgegnerInnen ausfiel:
- 1.576.839 (49,53 %) stimmten mit JA
- 1.606.308 (50,47 %) mit NEIN
Der Energieplan des Jahres 1976 sah den Bau von insgesamt drei Atomkraftwerken mit einer Leistung von 3.300 MW in Österreich vor. Die zweite Atomkraftanlage war für St. Pantaleon-Erla in Niederösterreich vorgesehen. Als Standort des dritten Kraftwerks war St. Andrä in Kärnten geplant.
Österreichs Einstieg in die Nutzung der Atomenergie war Geschichte.
In der Folge führte die Nichtinbetriebnahme bereits im Dezember 1978 zum Atomsperrgesetz, nach welchem in Österreich auch in Zukunft keine Atomkraftwerke ohne Volksabstimmung gebaut werden dürfen. Dieses Gesetz wurde 1999 durch das Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich verschärft. Seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986 war die Anti-Atom-Politik gesellschaftlicher wie auch parteipolitischer Konsens geworden.
Eine Milliarde Euro Kosten
An die 650 Millionen Euro waren mit dem negativen Ausgang der Volksabstimmung verloren, bis zu seiner Liquidierung 1985 kostete das Atomkraftwerk Zwentendorf über eine Milliarde Euro.
Eine Industrieruine ist Zwentendorf dennoch nicht. Die EVN kaufte 2005 das Kraftwerk und machte daraus einen Schulungsreaktor. Da das AKW nie in Betrieb ging, sind heute Bereiche zugänglich, die ansonsten aufgrund hoher Radioaktivität gar nicht oder nur unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen begehbar wären.