27.05.2020

Wer will ein Pfandsystem verhindern? Die Plastikverschmutzungs-Lobby

In dieser Studie erfahren Sie wer hinter den Kulissen gegen ein Pfandsystem und Mehrwegverpackungen ankämpft.

Report Cover: Die Plastikverschmutzer-Lobby

Break free from Plastic / Pietro Bruni

Plastikverschmutzung ist ein großes Problem für die Umwelt. Dem Volumen nach, machen PET-Flaschen den größten Anteil an Müll in Österreichs Natur aus. Das österreichische Bundesministerium für Umwelt (BMK) erwägt derzeit die Einführung eines Pfandsystems zur Erreichung neuer EU-Ziele, die in der Einweg-Kunststoffrichtlinie zur Bekämpfung der Plastikverschmutzung festgelegt sind. Dazu gehören eine Sammelquote auf Einweg-Pflastikflaschen von 90 % bis 2029, die Vermeidung von Littering und eine Quote von mindestens 30 % Recyclingmaterial bei der Herstellung neuer Plastikflaschen.

Eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie hat kürzlich bestätigt, dass ein Pfandsystem nicht nur die höchste Sammelrate für Plastikflaschen erzielt, sondern auch die kostengünstigste Option ist, die beste Materialqualität für das anschließende Recycling sicherstellt und die stärkste Wirkung gegen Littering hat. Trotzdem stellen sich in Österreich einige Unternehmen quer. Als Koalition kämpfen sie hartnäckig gegen ein Pfandsystem und eine Anhebung der Mehrwegquote. Doch wer ist das und warum kämpfen sie dagegen an? Die Changing Markets Foundation und die Break free from Plastic - Bewegung haben für Sie recherchiert:

Wer sind die Bremser?

Eine mächtige Koalition von Unternehmen, darunter die Einzelhandelsriesen und Getränkehersteller, arbeiten daran, die Entscheidung der Regierung gegen ein Pfandsystem zu beeinflussen. Sie koordinieren diese Lobbyarbeit durch die renommierte Altstoff Recycling Austria (ARA), Österreichs größtes Sammel- und Verwertungssystem für Verpackungen.

Warum wollen sie ein Pfandsystem verhindern?

Derzeit bezahlen Hersteller, Importeure und Verpackungsunternehmen - nach der erweiterten Herstellerverantwortung - eine bestimmte Lizenzgebühr dafür, dass Verpackungsabfälle die durch den Verkauf ihrer Produkte entstehen, gesammelt, sortiert und recycelt bzw. verarbeitet werden. Diese Gebühr zahlen die Unternehmen in Österreich an die ARA die sich um die Abfallverwertung kümmert. Insgesamt macht dies einen Umsatz von über € 147 Mio. aus, satte € 24 Mio. fallen davon rein für Plastikflaschen an. Rechnet man Dosen und Einweggläser hinzu, erhöht sich der Betrag deutlich. Ein Einweg-Pfandsystem würde daher zu erheblichen Umsatzeinbußen bei der ARA führen. Die ARA kämpft deshalb nun darum ihre politische Stellung, Marktposition und wirtschaftliche Finanzkraft zu erhalten, da sie derzeit über 70 % der Kunststoffabfälle behandelt. 

Ein näherer Blick auf die Unternehmensstruktur von ARA macht deutlich, dass die eigenen Kunden, die selbst Anteile halten, günstige Regeln zu deren Vorteil schaffen können. Sie besetzen einerseits die maßgeblichen Entscheidungsgremien und treten andererseits in unterschiedlichen Formen als Dienstleister im Hauptgeschäftsfeld von ARA auf.

Gemeinsam mit den großen Handelsvertretern und einigen weiteren Unternehmen wendete sich die ARA in einem Schreiben an die Regierung, um gegen ein Pfandsystem zu lobbyieren. Doch die Argumente aus dem Schreiben sind so irreführend, dass sie die Arge AWV damit veranlassten, eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

Falsche Behauptungen

Folgende Argumente brachte die ARA unter anderem gegen ein Pfandsystem vor:

  • "Österreichs Recyclingquoten gehören zu den besten der EU"
    Richtigstellung: Die Recyclingrate von Kunststoffverpackungen ist mit 25 % sehr niedrig und muss bis 2030 auf 55 % gesteigert werden.
     
  • "Ein Pfandsystem wirkt sich negativ auf die Mehrwegquote aus (siehe Deutschland)"
    Richtigstellung: Deutschland (42 %) hat im Vergleich zu Österreich (18,4 %) eine deutlich höhere Mehrwegquote.
     
  • "Pfandsystem hat keinen Einfluss auf Littering, weil davon nur 4 % auf PET und 3 % auf Dosen entfallen"
    Richtigstellung: Die Zahlen sind irreführend weil sie auf dem Abfallgewicht basieren. Nach Einzelstücken gerechnet – und das ist beim Aufsammeln von Müll ausschlaggebend – sind Getränkeverpackungen für den Großteil des Mülls verantwortlich. Die unterschiedlichen Analysen reichen von 53 % bis 76 %.
     
  • "Die Trennbereitschaft der Bevölkerung wird abnehmen weil es dann weniger Sammelbehälter für restliches Plastik gibt"
    Richtigstellung: Ein Pilotprojekt in Spanien beweist das Gegenteil - während der Einführung stieg die Trennbereitschaft für andere Plastikverpackungen von 12 % auf knapp 67 %.
     
  • "Kosten für die Erreichung der EU-Recyclingziele sind mit Pfandsystem um 20 % höher"
    Richtigstellung: Die Ergebnisse der Hauer Studie zeigen, dass die Einführung eines Pfandsystems billiger ist als Maßnahmen für die verstärkte getrennte Sammlung und Nachsortierung von Restmüll. 
     
  • "Hohe Kosten für Installation und Betrieb eines Pfandsystems"
    Richtigstellung: Legt man die Zahlen aus Deutschland auf den österreichischen Markt um, würde das bedeuten, dass die Einführung eines Pfandsystems €150 bis €200 Mio. kosten würde, was über 8 Jahre abgeschrieben werden kann. Dies bedeutet, dass die jährlichen Betriebskosten für das System etwa bei €68,75 bis €105 Mio. liegen. Gemäß der neuen SUP-Richtlinie müssen Hersteller im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung unter anderem zukünftig die Kosten für die Sammlung von gelitterten Abfällen übernehmen. In diesem Zusammenhang sind die Kosten für die Einführung und den Betrieb eines Pfandsystems tatsächlich niedriger als die derzeitigen Littering-Beseitungskosten von rund €120 Mio.

Aus all diesen Gründen ist es entscheidend, dass die österreichische Regierung ein Pfandsystem für alle Einweg-Plastikflaschen und andere Getränkebehälter einrichtet. Außerdem sollen Maßnahmen zur Förderung von Mehrweg-Verpackungen eingeführt werden, beispielsweise mit einer verbindlichen Quote, die Händler und Abfüller erfüllen müssen. Solche Maßnahmen werden sowohl von der Wissenschaft als auch von der Öffentlichkeit unterstützt und werden letztendlich die Mehrweg- und Recyclingraten erhöhen, die Produktion von Plastik reduzieren, die Umwelt schützen und über € 120 Mio. an Ressourcen freisetzen, die derzeit für Aufräumarbeiten ausgegeben werden.

Wer sonst noch gegen ein Pfandsystem kämpft und aus welchen Gründen lesen Sie in unserem umfangreichen Report: