Englischer Rasen adé - Es lebe der blühende Rasen

Auf den Boden mit Ihnen! Im heutigen, vierten Teil unserer Serie „Vielfalt im Auge des Betrachters“ dreht sich alles um eher kleine Pflänzchen, deren Schönheit und ihre Blütenbesucher am besten beobachtet werden können, indem Sie sich eine Auszeit nehmen und es sich auf dem Gartenboden gemütlich machen. Möglicherweise sehen Sie diese Pflanzen aber auch nie in ihrem Garten, nämlich dann nicht, wenn Sie alles daran setzen einen lückenlosen Rasen zu haben.

Von der englischen "Wüste" zum blühenden Rasen

Viele GärtnerInnen streben nach dem perfekten „Englischen Rasen“, der nur aus wenigen Arten dicht wachsender Gräsern besteht. Diese makellosen Graswüsten sind immer noch weit verbreitet und einige Gärten erinnern eher an Fußballplätze als an Natur. Und das, obwohl dieser endlose Kampf für einen perfekten Rasen sehr viel Arbeit verursacht, einiges an Geld kostet und die Umwelt belastet. Häufig kommen Kunstdünger, chemische „Unkrautvernichter“ und Rasenmäherroboter zum Einsatz.

Ich möchte Ihnen heute eine Alternative zum Englischen Rasen vorstellen, die viele Vorteile hat (außer Sie benötigen wirklich einen bundesligatauglichen Fußballplatz in Ihrem Garten, dann können Sie hier aufhören zu lesen) und die eine beträchtliche ökologische Aufwertung darstellt.

Es geht darum, die monotone Grünfläche hinter sich lassen und eine blütenreiche Buntfläche zu schaffen. Alles was Sie dafür tun müssen, ist, die spontan aufkommenden Kräuter in Ihrem Rasen zu tolerieren und sie immer wieder mal blühen zu lassen, damit sie sich vermehren können. So entsteht mit der Zeit eine Pflanzengesellschaft, die ich den „blühenden Rasen“ nennen möchte. Korrekter wäre wohl „niedrigwüchsige, mäßig intensiv genutzte Wiese“, aber blühender Rasen beschreibt es meiner Meinung nach besser, weil die Fläche durchaus auch wie ein Rasen genutzt werden kann. Eine Naturblumenwiese betritt man in der Regel nicht so häufig und mäht sie auch deutlich seltener (nur 1-2x pro Jahr).

Den blühenden Rasen kann man hingegen durchaus regelmäßig nutzen, die Kinder können darauf spielen und es darf auch hin und wieder gemäht werden – wenn auch nicht jede Woche! Ein solch blühender Rasen mit einem hohen Anteil an ein- und mehrjährigen Kräutern, neben den naturgemäß auch noch anwesenden Gräsern, steigert den ökologischen Wert Ihrer Gartenfläche immens gegenüber dem Englischen Rasen.

Deshalb lautet mein Tipp für heute: Mehr Toleranz und Achtsamkeit für die Beikräuter im Rasen! Lassen Sie den Rasenmäher öfter stehen, legen Sie sich stattdessen entspannt in Ihre blütenreiche Wiese und tauchen in diesen faszinierenden Mikrokosmos voll wundersamer Geschöpfe ein.

Blühender Rasen mit Taubnessel und Ehrenpreis

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Grasfrosch im blühenden Rasen

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Ein blühender Rasen als Grundausstattung

Ausgesprochene Spezialisten unter den Pflanzen und Tieren haben zwar höhere Ansprüche an ihren Lebensraum und müssen deshalb mit speziellen Maßnahmen gefördert werden, der blühende Rasen ist aber ein guter Anfang und eine solide Basis - quasi eine Grundausstattung - im Naturgarten. Sie können sich beim blühenden Rasen auch darauf verlassen, dass er jedes Jahr aufblüht. Dies ist bei gekauftem Saatgut für eine Blumenwiese nicht immer der Fall, denn häufig blüht die eingekaufte Wiese zwar im ersten Jahr recht hübsch (auf Grund des Anteils an rasch-wüchsigen, einjährigen Pflanzen), aber bereits im zweiten Jahr kommen nur mehr einzelne Arten der Blühmischung durch und konkurrenzstarke „Unkräuter“ nehmen ihren Platz ein. Dies hat häufig damit zu tun, dass viele Arten der Blühmischungen magere Standorte bevorzugen, die meisten Hausgärten aber nährstoffreiche Böden haben.

Natürliche Entwicklung eines blühenden Rasens

Der blühende Rasen entwickelt sich ganz von alleine und es siedeln sich nur jene Pflanzen an, die auch gut zu dem Standort passen und die relativ robust sind. So vertragen sie auch eine intensivere Nutzung und das Rasenmähen relativ gut. Für den blühenden Rasen ist es aber überlebenswichtig, dass die Pflanzen blühen und Samen bilden dürfen, weshalb auch nicht zu oft gemäht werden darf!

Vor allem im Frühjahr sollte das Mähen so lange wie möglich hinausgezögert werden, denn die Blüten sind wichtiger Nahrungsspender für die aus der Winterruhe erwachenden Bienen und Schmetterlinge. Außerdem ist es sinnvoll nicht die gesamte Fläche auf einmal zu mähen, sondern jeweils nur Teilflächen. So sind immer Rückzugs- und Entwicklungsorte für die Lebewesen des Gartens vorhanden und gleichzeitig entsteht ein Mosaik an unterschiedlich entwickelten Lebensräumen. Des Weiteren sollte der Rasenschnitt entfernt werden und nicht auf der Fläche liegen bleiben. So wird der Boden mit der Zeit nährstoffärmer und die Fläche artenreicher – pro Jahr können ca. 2-5 neue Arten dazukommen. Wenn möglich sollte auch nicht bodeneben gemäht werden, sondern in einer Schnitthöhe von ca. 10cm.

Die im folgenden erwähnten Pflanzenarten stellen bei mir im Garten sozusagen das Grundgerüst des blühenden Rasens dar, wobei keine Art gezielt gepflanzt wurde. Welche Arten bei Ihnen auftauchen ist natürlich davon abhängig, wie das (Klein-)Klima bei Ihnen ist, in welcher Höhenlage Sie sich befinden, welchen Boden Sie haben, usw.. Es ist aber auch gar nicht wichtig, ob bei Ihnen im Garten die selben Pflanzen wachsen wie bei mir, oder wie bei Ihrem Nachbarn. Ganz im Gegenteil, umso vielfältiger und diverser unsere Gärten sind, umso mehr unterschiedlichen Lebewesen bieten sie eine Heimat. Und ich garantiere Ihnen, dass es, egal bei welchen Pflanzen, immer viel zu beobachten und zu bestaunen gibt.

Ehrenpreis (Veronica sp.)

Bei mir im Garten kommen vor allem Persischer Ehrenpreis (Veronica persica) und Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys) vor. Sie gehören botanisch zur Familie der Wegerichgewächse und sind Pflanzen, die niederliegend, nahe am Boden wachsen und meist nicht höher als 30cm werden. Der Persische Ehrenpreis ist einjährig und kann von Februar bis in den Oktober blühen! Der Gamander-Ehrenpreis blüht von März bis Juli. Beide Arten haben kleine aber sehr hübsche blaue Blüten, die zum Beispiel von Honig- und Wildbienen, kleinen Schmetterlingen oder Fliegen bestäubt werden.

Maskenbienen auf Ehrenpreis

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Wildbiene auf Ehrenpreis

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Wildbiene und Käfer auf Ehrenpreis

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Gundelrebe (Glechoma hederacea)

Ebenfalls eine recht kleine Pflanze, die sich dank oberirdischer Ausläufer gut ausbreiten und in einer kurz gehaltenen Wiese behaupten kann. Die Gundelrebe zählt zur Familie der Lippenblütler. Sie wird maximal 40 cm hoch und verträgt auch Halbschatten gut. Sie blüht von Anfang April bis Ende Juni und ist im Frühling eine wichtige Nahrungsquelle für Hummeln, Pelzbienen, Wollschweber und andere Tiere.

Hummel auf Gundelrebe

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Weißling auf Gundelrebe

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Hohler Lerchensporn (Corydalis cava)

Lerchensporn gehört zur Familie der Mohngewächse, ist mehrjährig und wird nur bis zu 30cm hoch. Die Blätter und Blüten erscheinen schon sehr zeitig im Frühjahr, da die Pflanzen aus einer unterirdischen Knolle austreiben. Lerchensporn kann deshalb schon ab März blühen, was die ersten Bienen im Frühjahr besonders freut.

Hummel auf lila Lerchensporn

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Weißer Lerchensporn

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Wollschweber auf Lerchensporn

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Löwenzahn (Taraxacum officinale)

Diese Pflanze ist für einige Gärtner ein Ärgernis und häufig hört oder liest man Negatives über den Löwenzahn im Zusammenhang mit überdüngten Wiesen. Ja, Löwenzahn ist eine Zeigerart für stickstoffreiche Böden und ja, er hat eine sehr effektive und erfolgreiche Überlebensstrategie weshalb man ihn schwer los werden kann. Aber ihn deshalb ganz aus den Gärten verbannen? Wenn die Wiesen unserer Landschaften nur mehr eintönig gelb blühen, weil sie so stark gedüngt werden, dann ist das in der Tat kein gutes Zeichen, sondern weist auf Artenarmut hin.

Das bedeutet aber keineswegs, dass Löwenzahn nicht eine Bereicherung für unseren blühenden Rasen im Garten sein kann. Gartenböden sind meist gut mit Nährstoffen versorgt und so nimmt der Löwenzahn darin, neben den anderen Pflanzen, auch seine Nische ein und sorgt für zusätzliche Blüten und Nahrung für die Insektenwelt. Und Löwenzahn ist, wie viele andere Vertreterinnen der Familie der Korbblütler, eine beliebte Insektenpflanze. Auch wenn er selbst überhaupt nicht auf tierische Bestäuber angewiesen ist, da er auch ohne sie Samen bilden kann. Die Blütezeit reicht von März bis September, womit er ein kontinuierliches Nahrungsangebot für Blütenbesucher bietet. Die Samen der „Pusteblume“ sind wiederum bei Vögeln wie dem Stieglitz oder dem Distelfink beliebt.

Hummel auf Löwenzahn

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Pusteblume

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Wildbiene auf Löwenzahn

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Wolfsspinne auf Löwenzahn

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Taubnesseln (Lamium sp.)

Es gibt viele Arten von Taubnesseln und ihre Blüten sind sehr beliebt bei Wildbienen und Hummeln, wie auch der Hummelexperte Ambros Aichhorn in seinem Artikel beschreibt. In meinem Garten kommen vor allem Purpurrote Taubnesseln (Lamium pupureum) vor. Vereinzelt gesellen sich auch Gefleckte Taubnesseln (Lamium maculatum) und Goldnesseln (Lamium galeobdolon) dazu. Immer wieder taucht auch die Schwarznessel (Ballota nigra) auf, die aber strenggenommen gar keine Taubnessel ist, da die Schwarznesseln eine eigene Gattung bilden. Taubnesseln gehören zu den Lippenblütlern. Die Purpurrote Taubnesseln erreicht Wuchshöhen bis zu 45cm, wobei sie häufig auch sehr klein schon blüht. Ihre Blütezeit umfasst praktisch die ganze Saison von März bis Oktober. Auch jetzt noch stößt man immer wieder auf blühende Exemplare.

Goldnessel

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Taubnesseln

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Hummel auf Taubnessel

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard

Marienkäfer auf Taubnessel

GLOBAL 2000 / Dominik Linhard