19.01.2023

Österreich Nr. 1 bei Umgehung von EU-Pestizidverboten

PAN Europe, das europäischen Pestizid Aktions-Netzwerk, hat die Umgehung von EU-Pestizidverboten durch sogenannte Notfallzulassungen untersucht.

Bannes Pesticides still in use in the EU

PAN Europe

Der neue Report „Banned Pesticides still in use in die EU“ identifiziert Österreich als negativen (!) Spitzenreiter bei Notfallzulassungen von EU-weit verbotenen und gefährlichen Pestiziden. Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 hat Bodenuntersuchungen in österreichischen Zuckerrüben-Anbaugebieten durchgeführt – die Proben zeigen Belastungen mit drei seit 2019 EU-weit verbotenen Bienenkillern aus der Gruppe der Neonicotinoide. Diese Insektizide kommen über Notfallzulassungen auf unsere Felder.

Schlupfloch Notfallzulassung

Pestizide, die aufgrund inakzeptabler Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit auf EU-Ebene verboten wurden, können durch die Behörden unter Berufung auf eine „Notfallsituation“ (im Sinne von Artikel 53 der EU-Pestizidverordnungexternal link, opens in a new tab) auf nationaler Ebene zugelassen werden. Mit 20 derartigen Notfallzulassungen zwischen 2019 und 2020 ist Österreich negativer Spitzenreiter vor Finnland mit 18 und Dänemark mit 17 Notfallzulassungen. Deutlich weniger Notfallzulassungen von verbotenen Pestiziden gab es etwa in Holland (5), Frankreich (4), Slowenien (3) oder Schweden (1), während Bulgarien, Malta und Luxemburg im Vergleichszeitraum ganz auf Notfallzulassungen verzichteten.

Anzahl der Notfallzulassungen je Mitgliedstaat (2019 bis 2022)
PAN Europe

Anzahl der Notfallzulassungen je Mitgliedstaat (2019 bis 2022)

Insgesamt identifiziert die Analyse von PAN Europe 14 gefährliche Pestizide, die aufgrund inakzeptabler Auswirkungen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit ihre Zulassung in der EU verloren oder gar nie erlangt haben, aber mithilfe des Schlupflochs „Notfallzulassung“ dennoch in einzelnen Mitgliedstaaten am Markt gehalten werden. Zu den Neonicotinoiden zählen die Wirkstoffe Thiametoxam, Clothianidin, Imidacloprid.

Anzahl der Notfallzulassungen nach Pestizid-Wirkstoffen (2019 bis 2022)
PAN Europe

Anzahl der Notfallzulassungen nach Pestizid-Wirkstoffen (2019 bis 2022)

Verbotene Bienenkiller in Erdproben

Die häufigste Notfallzulassung betrifft die besonders für Bienen sehr gefährlichen Neonicotinoide. Wegen der inakzeptablen Risiken für Bienen haben die EU-Mitgliedstaaten 2018 ein Verbot dieser gefährlichen Pestizide beschlossen. Fünfzehn Jahre lang hat sich GLOBAL 2000 mit den österreichischen Imker:innen für ein Verbot dieser Bienengifte eingesetzt.

Österreichs Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger hatte dem Verbot zugestimmt, aber noch im selben Jahr Notexternal link, opens in a new tabfexternal link, opens in a new taballzulassunexternal link, opens in a new tabgenexternal link, opens in a new tab ausgesprochen, die das EU-Verbot auf rund 40.000 Hektar Rübenfläche in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark außer Kraft setzten. Seither wurde diese Notfallzulassung Jahr für Jahr erneuert. PAN Europe sieht darin einen „systematischen Missbrauch des Systems der Ausnahmeregelungen“.

Ein Missbrauch mit Folgen, wie GLOBAL 2000-Untersuchungen zeigen. Wir haben im Oktober und November 2022 zwei Erdproben aus einem Zuckerrübenanbaugebiet im Marchfeld sowie jeweils eine Schlammproben im Umfeld der Zuckerfabrik in Tulln genommen. In allen Proben waren Rückstände von Neonicotinoiden nachweisbar. In der Schlammprobe auf der Ackerfläche darüber hinaus Rückstände von zehn weiteren Fungiziden und Herbiziden.

Richtungsweisendes Gerichtsurteil in Griffweite

Bereits 2019 hat GLOBAL 2000 gemeinsam mit PAN Europe Beschwerden ausgearbeitet: Wir sind der Auffassung, dass die betreffenden Zulassungen rechtswidrig sind. Aufgrund der in Belgien eingelegte Beschwerde wird der Gerichtshof der Europäischen Union im Jänner 2023 ein möglicherweise richtungsweisendes Urteil zur Rechtmäßigkeit von wiederkehrenden Notfallzulassungen für verbotene Pestizide sprechen. Wir erwarten dieses Urteil mit Spannung!

Gleichzeitig appelliert GLOBAL 2000 an Landwirtschaftsminister Totschnig, der freizügigen Vergabepraxis von Notfallzulassungen verbotener Pestizide in Österreich ein Ende zu setzen. Zudem gehen wir davon aus, dass Österreich bis zum Vorliegen des Urteils des Gerichtshof der EU keine weiteren Notfallzulassungen für Neonicotinoide erteilt.

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