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Die lange Lieferkette eines Smartphones
Durchschnittlich kaufen wir Europäer:innen alle 3 Jahre ein neues Smartphone. Vor dem Kauf informieren wir uns über die Qualität und Leistung des neuen technischen Geräts. Aber wie sieht es eigentlich mit der Lieferkette aus? Wie fair wird ein Smartphone produziert? Welchen Einfluss hat das kleine Gadget auf unsere Umwelt? Und welche Regeln müssen die Hersteller von Smartphones einhalten - oder eben nicht?
Ein Smartphone besteht aus rund 60 Rohstoffenexternal link, opens in a new tab, wie beispielsweise Kunststoff, Glas und rund 30 verschiedenen Metallen. Diese Rohstoffe werden in verschiedensten Teilen der Erde gewonnen, weiter aufbereitet und für die Erzeugung von Komponenten, wie etwa Akkus oder Displays, benutzt. Die verschiedenen Komponenten werden dann zu einem verkaufsfertigen Smartphone zusammengesetzt. Jedes Unternehmen, das an diesen Schritten beteiligt ist – vom Bergbau bis zum Einzelhändler – ist Teil der Lieferkette. Neben Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung wie Wasserverschmutzung entstehen entlang dieser Lieferketten auch Treibhausgasemissionen.
Die Treibhausgasemissionen eines Unternehmens teilen sich in drei Bereicheexternal link, opens in a new tab:
- Bereich 1:
Direkt vom Unternehmen verursachte Emissionen (z.B.: Diesel für Firmenwagen). Ein großer Teil der Emissionen von Fluggesellschaften oder der Chemieindustrie fallen in diese Kategorie.
- Bereich 2:
Indirekte Emissionen, die durch zugekaufte Energie generiert werden (z.B.: Stromerzeugung in Kohlekraftwerken). Dieser Bereich ist in energieintensiven Industrien, wie der Stahlerzeugung, wesentlich.
- Bereich 3:
Emissionen, die durch indirekte Tätigkeiten in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette des Unternehmens entstehen (z.B. wenn ein Zulieferer Metall in einer Mine abbaut). Somit ist dieser Bereich bei Produkten, die während oder nach ihrer Produktion den Großteil ihrer Emissionen verursachen, von Bedeutung. Darunter fallen zum Beispiel Smartphones und Autos. Bereich 3 wird weiter unterteilt in verschiedene Kategorien, unter anderem:
– “Einkauf von Gütern und Dienstleistungen”
– “Benutzung der verkauften Produkte”
Obwohl in der Regel die meisten Emissionen in Bereich 3 anfallen, berichten Konzerne oftmals lediglich über Emissionen aus den Bereichen 1 und 2. Auch viele Versprechen, “klimaneutral” zu werden, beziehen sich nur auf diese zwei Bereicheexternal link, opens in a new tab.
Ein Beispiel ist der Smartphone Konzern Apple.
In dem öffentlich publizierten Berichtexternal link, opens in a new tab werden die Treibhausgasemissionen des gesamten Unternehmens aufgeschlüsselt. Wie auch Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung werden fast alle Emissionen ausgelagert. Bereich 1 und 2 bilden somit nur die Spitze des Eisbergs.
Kein Regenbogen am Ende der Lieferkette
Die Lieferketten der meisten Smartphone Rohstoffeexternal link, opens in a new tab erstrecken sich über mehrere Länder und Kontinente. Entweder weil wichtige Ressourcen lokal nicht vorhanden sind, öfter jedoch weil der Abbau und die weitere Produktion in spezifischen Ländern billiger ist. Hierbei handelt es sich in der Regel um Länder des Globalen Südens. Dort herrschen oft schwache Regulierungen in Bezug auf Umwelt, Klima und Arbeit. Dies führt in den betroffenen Regionen zur Ausbeutung von Mensch und Natur sowie zu immensen Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig werden die Rohstoffe oder Komponenten großteils an große Smartphone Hersteller des Globalen Nordens geliefert. Am Ende der Lieferkette profitieren somit große Unternehmen von den Missständen in anderen Ländern.
Das Beispiel Kobalt
Durch die Digitalisierung ist die Nachfrage nach Akkus und somit die Bedeutung von Kobalt stark gestiegen. Denn das Metall wird für Lithium-Akkus benötigt, die standardmäßig in elektronischen Geräten benutzt werden. Der Großteil (60-70%) des weltweit abgebauten Kobalt kommt aus der Demokratischen Republik Kongoexternal link, opens in a new tab. Ein beträchtlicher Teil des Kobalts wird dort in illegalen Minen ohne offizielle Regulierungen abgebaut. Arbeiter:innen sind ein leichtes Ziel für Ausbeutung und Gewalt, auch Unfälle und Todesfälle sind häufigexternal link, opens in a new tab. Zudem verschmutzt der Minenabfall Wasser, Luft und Boden in der Umgebung, oft wird beim Abbau auch radioaktives Uran freigesetztexternal link, opens in a new tab. Diese Umweltzerstörungexternal link, opens in a new tab führt zu einer Vielzahl an chronischen Krankheiten, Ernteausfällen, Treibhausgasemissionen und Verlust der Biodiversität.
China als größter Hersteller von Lithium-Akkus
Das reine Metall wird in der Regel weiter nach China transportiertexternal link, opens in a new tab, dem größten Hersteller von Lithium-Akkus und Smartphones. Der Zusammenbau der Akkus und Handys beinhaltet das Hantieren mit giftigen Substanzen. Arbeiter:innen werden darüber aber häufig nicht aufgeklärt und erhalten keine adäquate Schutzausrüstungexternal link, opens in a new tab. Hinzu kommen niedrige Löhne und lange Arbeitszeitenexternal link, opens in a new tab. Die fertigen Geräte werden an Smartphone-Unternehmen geliefert. Apple, Samsung und Co. verkaufen die Handys an Konsument:innen in aller Welt.
Warum tun Unternehmen nichts gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung in ihrer Lieferkette?
In den meisten Ländern umfassen rechtliche Rahmenbedingungen nur die lokalen Tätigkeiten eines Unternehmens. Konzerne in Österreich können nur für jene Schäden und Emissionen belangt werden, die sie in Österreich verursachen. Die untragbaren Bedingungen, die bei ihren Zulieferern in anderen Regionen herrschen, haben für sie keine direkten Konsequenzen. Langwierige Gerichtsprozesse machen Gerechtigkeit für Betroffene oft unerreichbar.
Das führt dazu, dass viele Smartphone Hersteller sich nicht darum kümmern, wer ihre Zulieferer sind oder woher ihre Rohstoffe genau stammenexternal link, opens in a new tab. Damit sind sowohl regelmäßige Kontrollen als auch die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Umweltschutz quasi unmöglich. Eine Auslagerung der Produktion an ihre Zulieferer bedeutet zusätzlich, dass die dabei entstandenen Emissionen in Bereich 3 fallen. Sie werden somit nicht direkt den Konzernen zugeschrieben. Und das, obwohl hier oftmals der größte Anteil an klimaschädlichen Treibhausgasen generiert wird.
Ein ernüchterndes Urteil für Gerechtigkeit
Für Betroffene entlang der Lieferkette ist es extrem schwierig, Kompensation für die Ausbeutung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlage einzufordern, vor allem über Ländergrenzen hinweg. Dies betrifft nicht nur Menschen, die direkt in den Kobaltminen oder Smartphone Fabriken arbeiten. Beispielsweise erfolgten in der größten Kobaltmine der Welt, der Mutanda Mine im Kongo, mehrere Staudammbrüche. Dabei wurden durch den giftigen Minenabfall Flüsse und Ackerfläche von zahlreichen Bauern und Bäuerinnen für immer zerstört. Sie erhielten dafür jedoch bis heute größtenteils keinen finanziellen Ausgleichexternal link, opens in a new tab. Währenddessen nehmen sich Mitarbeiter:innen in chinesischen iPhone-Produktionsstätten wegen der Arbeitsbedingungen immer wieder das Leben. Bis jetzt wurden jedoch nur Scheinlösungenexternal link, opens in a new tab durchgesetzt, die keine wirklichen Verbesserungen gebracht haben.
Smartphones werden zumindest verantwortungsvoll recycelt, oder?
Ähnlich wie bei der Herstellung sind Unternehmen in der Regel nicht dafür verantwortlich, ob ihre Produkte langlebig, reparaturfähig oder recyclebar sind. Nachdem der größte Gewinn durch den Verkauf neuer Geräte gemacht wird, werden Smartphones normalerweise so gebaut, dass sie schnell kaputt gehen. Außerdem wird die Reparatur sehr kostspielig oder quasi unmöglich gemacht.
Auch auf Recycling wird keine Rücksicht genommen. Elektronikgeräte können nicht nur giftige Stoffe, wie etwa Quecksilber, enthalten, sondern auch gewisse Komponenten gefährlicher Eigenschaften aufweisen. Beispielsweise können Smartphone-Akkus während des Recyclingprozesses explodieren. Wegen strengen Regulierungen werden ernüchternde 17% des Elektroschrottsexternal link, opens in a new tab im Globalen Norden fachgerecht recycelt. Und das, obwohl die jährliche Menge an Elektroschrott bis 2050 auf 110 Millionen Tonnen wachsen soll.
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Die Entsorgung der restlichen 83% des globalen Elektroschrotts wird, wie auch die Fertigung, wegen weniger strenger Auflagen in Länder des Globalen Südens ausgelagert. In China oder Ghana werden die Elektrogeräte zum Beispiel mittels simpelster Methoden auseinandergenommen. Dazu gehören die Verwendung von hochgefährlichen Lösungsmitteln und Säuren, hier kommt beispielsweise Cyanid häufig zum Einsatz. Oft werden Geräte einfach verbranntexternal link, opens in a new tab, was eine Vielzahl an Giftstoffen und Treibhausgasen freisetzt.
Informelles Recycling von Elektroschrott ist daher mit unzähligen Gesundheitsrisiken verbunden. Viele der Kinder in diesen Gebieten weisen mit 12 bis 15 Jahren bereits Nierenversagen auf. Zudem werden Wasser, Boden und Luft verseucht. Gefährliche Substanzen, die in Flüsse gelangen, kontaminieren weitreichende Flächen. Einige dieser Stoffe sind schwer abbaubar und bleiben über Jahrzehnte in Ökosystemen bestehen. In der chinesischen Stadt Guiyu, einem der informellen Elektroschrott-Zentren der Welt, ist es beispielsweise mittlerweile unmöglich, das lokale Wasser zu trinken oder Landwirtschaft zu betreiben. Auch die lokale Flora und Faunaexternal link, opens in a new tab ist dem Elektroschrott zum Opfer gefallen.
Fazit:
Hersteller im globalen Norden befassen sich nicht ausreichend damit, woher die Rohstoffe ihrer neuen Smartphones kommen. Auch tragen sie kaum etwas zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Umwelteinwirkungen in den Kobaltminen oder den Lithium-Akku-Fabriken entlang ihrer Wertschöpfungskette bei. Da die einzelnen Arbeitsschritte ausgelagert sind, können die Unternehmen bisher nur begrenzt zur Verantwortung gezogen werden. Umweltschutz und Arbeitsbedingung bleiben daher ein ungelöstes Problem in den Hersteller-Ländern.