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Atomkraft in Schweden
In Schweden sind derzeit noch sechs Reaktoren an drei Standorten in Betrieb. Atomkraft lieferte 2022 29,5 Prozent der gesamten Stromproduktion. Die meisten sind Siedewasserreaktoren aus den 1970/80er Jahren.
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Atompolitische Debatte
Nach erheblichen Anti-Atom-Protesten begrenzte ein Volksentscheid 1980 die Zahl der Reaktoren auf zwölf und die Atomenergienutzung auf rund 30 Jahre. Diese Option setzte sich äußerst knapp gegen eine schnellere Ausstiegsoption durch. In der Folge wurde dieses rechtlich unverbindliche Ergebnis jedoch vom schwedischen Reichstag aufgeweicht, dessen atompolitische Haltung schwankend ist.
Einen Parlamentsbeschluss zur Schließung von Block 1 des AKW Barsebäck durchkreuzte die Betreibergesellschaft mit der Vervierfachung der ohnehin hohen Abfindungsforderung. Während des Gerichtsstreits konnte sie das AKW zunächst weiterbetreiben, bis das ablehnende Urteil schließlich die Abschaltung Ende 1999 ermöglichte. Im Mai 2005 erreichten die mehr als 20-jährigen Bemühungen mit der Abschaltung des zweiten Blocks in Barsebäck ihr Ziel.
Im Februar 2006 verkündete Schweden, dass es als erstes westeuropäisches Land seine Abhängigkeit von Erdöl beenden will. In 15 Jahren sollen Biotreibstoffe und erneuerbare Energien fossile Brennstoffe ablösen. Die Vorbereitung des 9 Millionen Einwohner Staates auf die gänzlich neue Energiepolitik wird von einem Komitee bestehend aus Industrieexperten, Akademikern, Bauern, Autoherstellern und anderen Personen, durchgeführt. Noch 2006 legten die Mitglieder den ersten Bericht im Parlament vor. Die Gründe für Schwedens Umstieg auf erneuerbare Energien ergeben sich aus der Notwendigkeit heraus, einer eventuellen Wirtschaftskrise wegen extrem hoher Rohölpreise entgegenzuwirken.
Nach mehreren Regierungswechseln geriet auch der Atomausstieg ins Wanken. Bereits 2016 wurde das gesetzliche Ziel vereinbart, bis 2040 zu hundert Prozent die Stromnachfrage mit erneuerbaren Energien zu decken – der Neubau von bis zu 10 Atomreaktoren sollte jedoch an den besetehenden AKW-Standorten möglich sein, auch wenn dies aufgrund der Unwirtschaftlichkeit von Atomkraft gegenüber den immer günstiger werdenden Erneuerbaren unwahrscheinlich war.
2023 beschloss die neue rechtskonservative Regierung, den Neubau von Reaktoren auch an neuen Standorten zuzulassen, und will bis 2035 zwei neue Reaktoren in Betrieb nehmen – derzeit gibt es jedoch noch keine konkreten Pläne.
Mit dem Regierungswechsel geriet auch der Atomausstieg ins Wanken. Eine Umfrage im Juni 2008 ergab, dass 40 Prozent der Schweden Neubauplänen zustimmen würden, wohingegen 42 Prozent lediglich den Betrieb der derzeitigen Anlagen befürworten, nicht aber einen Neubau weiterer Anlagen. Am 5. Februar 2009 wurde bekannt, dass Schwedens Regierung das seit 30 Jahren bestehende Verbot für den Neubau von Kernkraftwerken aufheben wird. An den bestehenden Reaktorstandorten sollen neue, auch leistungsstärkere Reaktoren als Ersatz für abgeschaltete Reaktoren gebaut werden dürfen. Neubauten sollen ohne staatliche Subventionen rein privat finanziert und betrieben werden.
Gleichzeitig will die Regierung auch massiv auf den Ausbau von Windkraft und anderen erneuerbaren Energien setzen. Sie sollen bis 2020 rund 50 Prozent von Schwedens Energieerzeugung ausmachen und zur Reduzierung der Emission von Treibhausgasen um 40 Prozent beitragen. Mit diesem Kompromiss konnte die Zustimmung der traditionell antiatomar ausgerichteten Zentrumspartei erwirkt werden.
Anti-Atom-Proteste
In den 1980er Jahren nahm ein entschiedener Widerstand in Schweden erheblichen Einfluss auf die Atompolitik und führte insbesondere zum bereits genannten Referendum. Die Abschaltung des grenznahen Reaktors Barsebäck 2 gilt als ein großer Erfolg der schwedischen und dänischen Anti-AKW-Bewegung.
Der Anteil der Atomenergie am Gesamtstrom beträgt 29,5 %.
Standort Barsebäck [stillgelegt]
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Siedewasserreaktor | 600 MW | 05/1975 - 11/1999 stillgelegt |
Block 2 | Siedewasserreaktor | 600 MW | 03/1977 - 05/2005 stillgelegt |
Störfälle (Auswahl):
- 1992: Block 2: nach Brennelemente-Wechsel wird Ventil in Primärkreislauf falsch zusammengebaut, fliegt auseinander, 38 l Wasserdampf treten mit 200 °C pro Sekunde aus. Nach 25 Minuten bricht die Wasserversorgung zusammen, weil der Wasserdampf die Isolierung eines benachbarten Rohrs abgeschält hat und diese 200 kg Dämmmaterial die Siebe am Ansaugstutzen im Notwasserbecken verstopfen: Kühlmittelverlust-Störfall, Kernschmelze droht. Die Betreibermannschaft kann 2 Stunden später durch Rückwärtsgang in den Pumpen den Pfropfen manuell lösen. Standort Forsmark
Standort Forsmark
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Siedewasserreaktor | 987 MW | 06/1980 |
Block 2 | Siedewasserreaktor | 1000 MW | 01/1981 |
Block 3 | Siedewasserreaktor | 1170 MW | 03/1985 |
Alle Blöcke: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 2006: Block 1: Kurzschluss in einem Umspannwerk außerhalb der Anlage, zwei von vier Notstromgeneratoren versagen, sie können ca. sieben Minuten vor dem vollständigen Kontrollverlust gerade noch gestartet werden.
- 2013: Störfall mit Stromausfall, Reaktor musst mit Notstromaggregat versorgt werden
- 2024: Block 2: Leckage aus Steuerstab - Abschaltung
Standort Oskarshamn
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Siedewasserreaktor | 467 MW | 08/1971 - 06/2017 stillgelegt |
Block 2 | Siedewasserreaktor | 602 MW | 10/1974 - 12/2016 stillgelegt |
Block 3 | Siedewasserreaktor | 1400 MW | 03/1985 |
Block 3: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 1995: Block 1: Riss in der Hülle des Kernmantels wird bemerkt, der Kernmantel muss ausgetauscht werden (dieser Defekt hätte eine Schnellabschaltung des Reaktors unmöglich gemacht).
- 2011: Block 2: Ölleck und Brand in einem Turbinenlager, Notabschaltung.
- 2012: Block 3: Notabschaltung nach "unerwartetem Signal im Sicherheitssystem".
- 2012: Block 2: Nuklearaufsicht stellt fest, dass die Betreiberfirma die Notstrom-Dieselgeneratoren nicht ordnungsgemäß gewartet hat und ordnet Abschaltung an.
- 2013: Block 3: Ohrenquallen legen Kühlung lahm, Notabschaltung
- 2013: Block 3: Kontrolllventil in Turbinensystem belibt in Stellung "offen" stecken, mehrere Versuche des Wiederanfahrens scheitern
- Februar 2022 Block 3: Beschädigte Brennelemente zwingen zur Abschaltung des Reaktors für eine Woche
- November 2022 Block 3: Turbinenfehler führt zu Notabschaltung
Standort Ringhals
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | Siedewasserreaktor | 856 MW | 10/1974 - 12/2020 stillgelegt |
Block 2 | Druckwasserreaktor | 867 MW | 08/1974 - 12/2019 stillgelegt |
Block 3 | Druckwasserreaktor | 985 MW | 09/1980 |
Block 4 | Druckwasserreaktor | 936 MW | 06/1982 |
Blöcke 3 & 4: Hochrisikoreaktor, älter als 30 Jahre
Störfälle (Auswahl):
- 10. Mai 2011: Block 2: bei Druckprüfung des Reaktordruckbehälters wird ein Staubsauger im Inneren vergessen, nach Kurzschluss kommt es zu einem Brand und zu einem Gesamtschaden von über € 200 Millionen.
- 2012: Block 4: Meerwasser dringt in den Reaktor ein, Notabschaltung
Standort Ågesta [stillgelegt]
Blocknr | Typ | Nettoleistung | Inbetriebnahme |
Block 1 | PHWR | 10 MW | 05/1964 - 06/1974 stillgelegt |
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