Wie Handelsabkommen unsere Gesetze schwächen

Mit Handelsabkommen im neoliberalen Stil, wie z.B. TTIP und CETA, sind unsere europäischen Standards gefährdet. Unsere Erfolge der letzten Jahrzehnte im Umwelt- und Verbraucherschutz sind bedroht.

Seit Juli 2013 laufen die Verhandlungen TTIP zwischen der EU und den USA unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Während die Industrie-Lobby bereits im Vorfeld der Verhandlungen in Diskussionsrunden eingebunden wurde, können zivilgesellschaftliche Organisationen lediglich in öffentlichen Hearings der Kommission ihre Position darlegen. Weder nationale Parlamente, noch das EU-Parlament werden in die Verhandlungen eingebunden, weshalb wir den Verhandlungsprozess als völlig undemokratisch ansehen.

Europäische Standards gefährdet

Das primäre Ziel des Abkommens ist es, den Handel zwischen der EU und den USA zu intensivieren, indem Handelsbeschränkungen beseitigt werden. Das kann auf zweierlei Wege geschehen, durch Harmonisierung (Angleichung) von zB. Umwelt und VerbraucherInnenschutzstandards, oder durch gegenseitige Anerkennung. Das Problem dabei ist, dass bei einer Harmonisierung tendenziell der niedrigste Standard als Basis für verbindliche Normen im Abkommen dient. Bei einer gegenseitigen Anerkennung werden die Standards des jeweils anderen Landes akzeptiert, auch wenn sie der eigenen Gesetzgebung widersprechen (und umgekehrt).

Handelsabkommen als Einfallstor für Gentechnik

Bei den Verhandlungen um die jüngsten Handelsabkommen TTIP (mit den USA) und CETA (mit Kanada) haben getechnisch veränderte Produkte, insbesondere gentschnisch veränderte Pflanzen, eine zentrale Rolle gespielt.

Grund dafür ist, dass in den USA und Kanada der Anbau gentechnisch veränderter Planzen weit verbreitet ist, in der Europäischen Union jedoch gar nicht: Eine einzige Gen-Planze ist für den Anbau in der EU zugelassen, der Gen-Mais MON 810. Er wird nahezu nur in Spanien angebaut, aber auch dort geht die Produktion zurück. In Kanada sieht es da schon etwas anders aus, hier basieren rund 25 Prozent der gesamten Landwirtschaft auf Gentechnik, in den USA sind es sogar 44 Prozent. In der EU sind es lediglich 0,1 Prozent. Vor allem für die Produktion von Mais, Soja, Raps und Zuckerrüben verwendet Kanada gentechnisch veränderte Pflanzen. Der Anteil am gesamten Anbau beträgt hier jeweils um die 90 Prozent.

 

CETA und die Gentechnik

GLOBAL 2000

Anteil am gesamten Anbau:

GV-Pflanze
Soja
Zuckerrübe
Raps
Mais

Kanada
96 %
96 %
95 %
93 %

EU
0 %
0 %
0 %
1,3 %

 

Bisher war es relativ schwierig, diese gentechnisch veränderten Pflanzen in die EU zu importieren. Strenge Risikobewertungen und lange Zulassungsprozesse, führen immer wieder zu Verzögerungen oder zur Nicht-Zulassung besonders risikobehafteter Pflanzen. In den EU-Verträgen ist dazu das Vorsorgeprinzip festgeschrieben. Es ermöglicht ein Verbot von bedenklichen GVOs (gentechnisch veränderte Organismen), wenn es Hinweise auf Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen und Tieren gibt. Diese Vorgehensweise sehen Kanada und die USA als "unwissenschaftlich" an. Zudem lehnen in der EU über 80 Prozent der KonsumentInnen Gentechnik in Lebensmitteln ab. 

 

CETA und die Gentechnik

GLOBAL 2000

 

Gentechnik-Zulassung soll vereinfach werden

Bereits sehr früh zu Beginn der TTIP-Verhandlungen 2013 wurde deshalb seitens der Agrarindustrie in den USA klar gemacht, dass TTIP nur ein Erfolg sein könne, wenn die EU endlich ihre Handelswege für mehr Gentechnik öffnet. Die strengen Zulassungsverfahren der EU, die Jahre dauern und letztlich zu einer Ablehnung führen können, waren der Agrarindustrie schon immer ein Dorn im Auge. Auch den Kanadiern ging es um eine schnellere Zulassung ihrer Gentechnik-Produkte in der EU. Der Biotechnologie (und somit auch der Gentechnik) ist im CETA-Vertrag ein eigenes, kurzes, aber aussagekräftiges Kapitel gewidmet, das klar macht: Es soll alles getan werden, damit auch für die Gentechnik keine „unnötigen“ Handelsbarrieren mehr bestehen. 

Im Rahmen der Zulassung sollen strenge Regulierungen gelockert, handelshemmende Maßnahmen vermieden und generell enger zusammengearbeitet werden. Als besondere Barriere wird etwa die Nulltoleranz für die in der EU nicht zugelassenen GVOs angesehen.

CETA ist zum 21. September 2017 vorläufig in Kraft getreten und mit ihm das Gentechnik-Kapitel. All diese Ansprüche sind nun im CETA-Vertrag verankert. Und die EU-Kommission hat bereits Signale gesendet, tatsächlich eine Beschleunigung in der Zulassung voranzutreiben.

Wir können also annehmen, dass mit CETA die Tore auch für mehr Gentechnik in Österreich geöffnet werden. Und was mit CETA erreicht wird, soll mit TTIP noch potenziert werden. Die TTIP-Verhandlungen sind momentan ausgesetzt, können jedoch theoretisch jederzeit wieder aufgenommen werden.

Für Fracking Tür und Tor öffnen?

Ähnliches gilt auch für Umweltschutzstandards. Im Gegensatz zu den USA ist in vielen EU Mitgliedstaaten nicht nur die Gewinnung von Schiefergas durch „Fracking“, sondern auch der Import des Gases, verboten. Durch eine Angleichung bzw. Herabsetzung von Standards im Rahmen von TTIP, müssten solche Praktiken zukünftig auch in Europa zugelassen werden.

Vorsorgeprinzip adé

Die Einführung von niedrigeren Verbraucher-und Umweltschutzstandards wäre ein Fundamentaler Angriff auf das in der EU geltende Vorsorge- und Verursacherprinzip. Demnach müssen Unternehmen nicht nur sicherstellen, dass ihre Produkte und verwendeten Technologien ungefährlich für das menschliche Wohlergehen und die Umwelt sind, sondern sie müssen auch die sozialen Kosten für die von ihnen verursachten Umweltschäden tragen.

ISDS / ICS - Konzern vs. Staat

Ein im Rahmen von TTIP und CETA ebenso umstrittener Punkt ist die Etablierung eines Schiedsgerichts (ISDS bzw. neu ICS). Dieses erlaubt Unternehmen, Staaten auf Kompensationszahlungen für Investitionen bzw. entgangene Gewinne zu verklagen, wenn diese Gesetzesänderungen oder neue Standards zum Schutz der BürgerInnen oder der Umwelt verabschieden, die den Konzerninteressen entgegenstehen. Die Möglichkeit Staaten vor ein internationales Schiedsgericht zu zitieren und damit nationale Rechtssysteme zu umgehen ist ein erheblicher Eingriff in die nationale Souveränität von Staaten, und muss unbedingt verhindert werden. Mehr zu den Schiedsgerichten hier.

Bild: Analyseexternal link, opens in a new tab von Michael Bührke external link, opens in a new tabCC-BYexternal link, opens in a new tab